Hafenweihnacht
…«, er senkte die Stimme ab, »… die Rehkeule, war’s recht, des Hascherl, ha?«
Er verrichtete mit der Zunge gröbere Arbeiten im Mund, während er dem Bericht über die Rehkeule lauschte. Zufrieden sagte er dann: »So ist’s recht. Wenn die Verwandtschaft zufrieden war, dann hat das ja seinen Zweck erfüllt, das Rehlein, gell, ist sozusagen nicht umsonst gestorben, das süße Ding«, Xari zwinkerte in Richtung Tisch und hob die Stimme wieder freudig laut an, »am End war’s noch die Erbtante, die zu Besuch war – Gott schenke ihr ein langes Leben, hahaha!« Er lachte laut und musste gleich darauf stark husten, wobei ihm der Kopf beängstigend rot geriet. »Also Wuzler, wie gesagt … wenn wieder mal … also Rehkeule ist so oft nicht zu haben, aber jetzt vor Weihnachten brauchst vielleicht noch mal was für die Verwandtschaft. Ich hätte Wildschweinlende, feines Fleisch und geprüft und garantiert tschernobylfrei … was? … eher nicht? Na ja, wird sich schon was finden lassen für die fastenfreien Wochenenden, gell, aber die Kalbsschnitzel vom Boschenhof sind schon reserviert. So, jetzt muss ich leider dienstlich werden, weil … es geht um den Mord in Lindau … hast du sicher gehört davon, des war ja im Radio überall, gell, und nun sitzt der Kollege hier bei uns, der heut morgen in der Kälte aus Lindau losgefahren ist und einen schäbigen VW-Bus haben’s ihm geben, die Hammel die, und der Chef fährt seine drei Meter von Besprechung zu Meeting im nagelneuen Sechszylinder, wir wissen ja wie des ist, gell. Da wenn man selbst nicht schaut, wo man bleibt … also, da sitzt er nun hier bei mir mit einem Notebook von dem Umgebrachten und recht pressant ist es auch noch wegen dem Christkind, des bald kommen soll … hehehehe«, er meckerte ein Lachen in die Telefonmuschel.
Erich Gommert, der dem Gespräch angestrengt folgte, gestikulierte, dass er mehr als ein Notebook dabeihabe. Xari antwortete mit einer beruhigenden Geste: »… ja, und es ist nicht nur eines, aber das ist ja im Grunde unerheblich. Es ist nur so … die Sache ist dringend und … wie? Kein Problem? Na, das hört man doch gerne, gerade wo wir schon wissen, wie ihr mit Arbeit vollsteckt bis über den Kopf, weil ja das Personal fehlt und die Gewerkschaften nichts tun und die Politik auch nicht, aber es ist ja in diesem Fall … also im Hafenbecken ertränkt, in Lindau, unserem schönsten Küstenaußenposten, gell.« Er lachte laut und zwinkerte wieder in Richtung Tisch.
Die sofortige Abholung der Beweismittel durch einen Boten wurde vereinbart. Xari legte erschöpft auf und setzte sich müde an den Tisch. Er holte sich den Rest der gekochten Eier, schnitt eine Zwiebel auf und legte alles zusammen auf eine Semmel, nicht ohne dies zuvor noch mit einem Stück Schinken zu garnieren. »Des war ein schönes Reh, ein schönes Reh hat er kriegt, der Wuzler«, murmelte er vor sich hin, »die elenden Wilderer, die hätten des ja verkommen lassen. Man kann sich des gar nicht vorstellen.« Als er die Semmel verdrückt hatte, schenkte er Kaffee nach und sah zur Uhr. »Na!? Wird er gleich kommen, der Praktikant.«
So war es auch. Ein Praktikant holte die Notebooks samt Handy ab und verbrachte sie zur Auswertung in die Kriminaltechnik. »Horch auf, Burschi! Das ist dringend zu bearbeitendes Beweismaterial aus einem Mordfall, also nicht ins Geschäftszimmer, gemerkt. Das Zeug soll nicht verschwinden, sondern muss sofort ausgewertet werden!? Verstanden. Nicht ins Geschäftszimmer, sondern direkt zum Wuzler ins Büro!«
Er sah über den Tisch. Loisl schnitt vom Marmorkuchen ab und sah ihn fragend an. Xari verneinte. »Später, Loisl, später. Ich weiß gar nicht, was heut ist. Des ist schon eine arge Belastung mit dem Mord, und so. Da fehlt dann der Genuss, meine ich, der Genuss. Aber holla, jetzt denke ich, müssen wir die Lieferung verräumen. Hast du den Wagen schon hergerichtet?«
Loisl hatte sogar zwei Rollwagen hergerichtet und schob sie zum VW-Bus.
»Wo bringen wir das ganze Zeug denn unter?«, fragte Gommi.
Xari sah konzentriert über die Lieferung. »Das kommt ins Rechenzentrum drei, da kommt das hin.«
»Rechenzentrum? Es wäre aber nicht schlecht, wenn es gekühlt wäre. Das Fleisch und so …«
»Eben«, kam es unaufgeregt von Xari, »wirst schon sehen.«
Zuerst luden sie die Kisten mit Äpfeln und Birnen auf den Rollwagen, dann kamen die Kartons mit dem Wein und den Obstbränden. Loisl holte einen zweiten, kleineren Rollwagen herbei,
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