Hafenweihnacht
Dienst?«
»Noi«, kam es zeternd.
»Geheimdienst«, erklärte Robert Funk, »Geheimdienst.«
»Aahh … deshalb hat der Xari noch gesagt, die arroganten Affen aus Pullach. Ah so.«
Wenzel schmunzelte. Lydia Naber war immer noch fassungslos. »Das gibt es doch nicht. Gestern?! Gestern waren die dort? Woher haben die von Gommis Trip nach München gewusst und von diesen Notebooks?«, richtete sie ihre Frage an Kimmel.
Der überlegte. »Das habe nur ich gewusst … und natürlich die Staatsanwaltschaft, weil die ja den Beschluss geliefert hat.«
Lydia Naber klang sauer: »Das geht doch nicht, oder? Ich glaube ich spinn, wir ermitteln uns die Finger wund, haben schlaflose Nächte, und dann hängt da der Geheimdienst mit in der Sache und pfuscht am Ende an unseren Beweismitteln herum. Was machen wir denn nun? Das ist doch eine völlig neue Situation – und wenn der Kollege aus München schon nicht mehr das Diensttelefon benutzen will, um hier bei uns anzurufen – na dann hurra die Waldfee! Werden wir hier abgehört?! Hallooo!« Den letzten Satz hatte sie laut zur Decke gerufen.
*
In großer Ratlosigkeit hatte Kimmel die Runde verlassen und sich in sein Büro zurückgezogen. Den anderen hatte er die Zusage abgenommen, die groteske Neuigkeit für sich zu behalten. Einzig Lydia durfte Schielin informieren, der am Vormittag mit Ronsard unterwegs war. Zum Glück hatte er sein Handy eingeschaltet. Er war auf der Weide bei Ronsard und nahm die Neuigkeit konsterniert auf. Geheimdienstler, die sich für Jochen Drohst interessierten? Das war bizarr.
Es war gerade ein wenig Helligkeit durch den Nebel gedrungen, woher auch immer, und er fuhr darin fort, Ronsard zu striegeln und zu bürsten. Immer wieder tätschelte er die kräftigen Seiten seines Esels und fühlte das dichte, weiche Winterfell. Im ersten Augenblick spürte er die Kälte an den Händen, wie sie aus dem oberflächlichen Flaum entwich, doch sogleich drang von darunter eine wohltuende Wärme an die kalten Handflächen. Ronsard genoss die Behandlung und stand da wie eine Statue.
Schielin steckte das Handy weg, legte ihm das Halfter um und ließ den Karabinerhaken der Laufleine einschnappen. Die ersten Meter stakste sein Esel gewohnt prätentiös neben ihm her, bis er in einen zügigeren Schritt verfiel.
Obwohl Schielin jeden einzelnen Stein hier kannte, hatte der Nebel die nächste Umgebung in eine fremde Umgebung verwandelt. Das Gefühl für Entfernungen ging verloren, Blicke und Geräusche konnten keine Vertrautheit geben und er musste sich auf den Wegverlauf konzentrieren. Das half ihm, die Verwirrung, die Lydias Nachricht gestiftet hatte, hinter sich zu lassen, genauso wie die Gestalten der kahlen Bäume, die geisterhaft aus dem kompakten Nebelgrau hervortraten. Ronsard schnaubte, gurgelte, geiferte und legte alle paar Meter einige Zwischenschritte und Hopser ein, womit er sein Unverständnis über die frühe Runde zum Ausdruck brachte. Schielin schimpfte laut, meinte mit seinen lauten Unmutsäußerungen jedoch weniger Ronsards Bockigkeit als die Anstrengung, die ihm der Gang durch das Labyrinth des aktuellen Falls auferlegte. Er hatte Verständnis für seinen Esel. Eine Tour im Winter war besonders karg. Nirgends ein saftiger Grasbüschel, oder die frischen Triebe einer Hecke. Alles war gefroren und nicht mal etwas zu sehen gab es bei dem Nebel.
Ronsard beruhigte sich bald und die beiden wanderten einträchtig dahin. Schielin verfiel in Gedanken. Er hatte es schon an jenem Morgen, als Drohst gefunden worden war, geahnt, dass das eine Sache werden würde, die sie in Schwierigkeiten bringen konnte. Und jetzt? »Auch noch Geheimdienst!«, rief er laut, »ausgerechnet die Schlapphüte.« Er mochte diese Truppe genauso wenig wie Lydia. »Ah!«, stieß er ärgerlich in den Nebel. Ronsard trottete unbeeindruckt und mit hängendem Kopf neben seinem räsonierenden Chef her. Er war das gewohnt. Manchmal war das eben so.
Als sie Streitelsfingen erreichten, erschienen die Umrisse des Montfort-Schlössle mächtig und beinahe drohend. Ronsard blieb abrupt stehen und pumpte geräuschvoll kalte Luft in sich hinein; als genug davon vorhanden, war ließ er einen lauten, klagenden Eselsschrei in den grauen Morgen fahren. Hundegebell antwortete aus der Ferne. Nach den letzten Gehöften des Weilers bogen beide nach rechts ab. Drunten im Tobel sollte die Nebelschicht dünner sein als hier auf der freien Anhöhe. Tags zuvor hatte sich Schielin auf einen strahlenden Tag
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