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Hafenweihnacht

Hafenweihnacht

Titel: Hafenweihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.M. Soedher
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im Menschenknäuel verschwunden, wo etwas ganz besonders Romantisches zu Weihnachten ausgedacht werden sollte – mit Ochs und Esel, und so. Die Viecher waren schon da – die Idee fehlte.
    Der Audi war in Richtung der Linggstraße verschwunden und konnte nur über die Fischergasse die Insel verlassen. Schielin nahm Ronsard an der Leine und zog. »Komm, eil dich, jetzt muss es ausnahmsweise mal schneller gehen.«
    Zielstrebig bahnte er sich mit Ronsard einen Weg durch die Umherstehenden. Einige sahen ihm verwundert nach, wie sie im leichten Trab davonliefen.
    Er wollte den kürzesten Weg über das Bäckergässele hinunter zur Fischergasse nehmen, als ihm genau von dort die gesamte Bustruppe von vorhin entgegen kam. Als sie den Esel erblickt hatten, verfielen sie erneut in ein lautes Hallo der Wiedersehensfreude und mit ungeahnter Behendigkeit umströmten sie die beiden. Keine Chance, durch diese Menge hindurchzukommen. Er wich nach links aus und lächelte gezwungen, winkte entschuldigend. Ronsard folgte nur unwillig. Beim Abbiegen sah Schielin in einem schmalen Spalt der Durchsicht zur Fischergasse einen schwarzen Wagen vorbeigleiten. Er zog an und trabte mit strammem Seil in die Schmiedgasse. Diesmal würde er an der Bäckerei Miller vorbeikommen. Ronsard hoppelte unwillig neben ihm her und fuchtelte wild mit seinem Kopf herum. Schielin musste aufpassen, denn jetzt hing er an der Leine.
    Wenn er Glück hatte, musste der Audi an der Einfahrt zum Kreisverkehr warten. Inzwischen hatte er auf schnellen Trab beschleunigen können, was auf dem nassen Kopfsteinpflaster nicht ganz ungefährlich war. Die verwunderten Blicke der Entgegenkommenden fielen ihm nicht auf; aber wer hatte schon einmal einen joggenden Eselstreiber zu Gesicht bekommen? So etwas gab es nur in kruden Träumen. Der Einsatz lohnte sich. Als er in Richtung Seebrücke schwenkte, sah er noch, wie die Bremsleuchten des Audi erloschen und er langsam in den Kreisverkehr einbog. Er konnte das Kennzeichen ablesen – ein Lindauer Wagen, der nicht den geraden Weg über die Seebrücke zum Festland nahm, sondern nach links in die Zwanzigerstraße abbog. Vermutlich war nun der Parkplatz an der Inselhalle das Ziel. Die Fahrerin war zu erkennen. Eine blonde Frau. Schielin stoppte langsam ab und holte, etwas außer Atem, das Handy hervor.
    Gommi fragte zweimal nach, als er das Kennzeichen notierte. Schielin war ungeduldig. »Mach schon zu, Gommi, wem gehört die Kiste?«, fragte er mürrisch, und Gommi jammerte, dass das System so lange brauche und er daran nicht schuld sei. Endlich kam die Auskunft. Der Audi war auf eine Kunstgalerie zugelassen.
    Kunstgalerie – Schielin sah Skulpturen und Gemälde vor sich. Die Jagdflamme, die der schwarze Audi bei Schielin entfacht hatte, sie loderte mit einem Mal nicht mehr so heftig. Eine blonde Frau, Kunstgalerie – klang nicht vielversprechend. Langsam trabte Schielin zurück zum Kirchplatz. Marja rollte mit den Augen, als sie ihn entdeckte, was nicht seiner kleinen Flucht galt, sondern den andauernden Diskussionen, die sich zwischen den hohen Wänden der beiden Kirchenbauten entsponnen hatten. Die einen wollten eine Lebendkrippe, die anderen ein Krippenspiel und dem Mann mit Hut, rotem Schal und schwarzem Mantel war das alles zu profan, zu gewöhnlich, zu wenig aufwühlend und packend, wie er mehrmals sagte.
    Marja stöhnte entnervt. »Ich fürchte, es wird nichts werden.«
    Der Passat samt Hänger stand am Stiftsplatz. Ronsard ließ sich mithilfe der Topinambur und einem weiteren Brösel vom Nussschifflle ohne großen Zinnober verladen.
    *
    Marja setzte Schielin an der Dienststelle ab. Wahrscheinlich roch er ziemlich nach Esel, aber das war ihm im Moment egal.
    Kimmel saß im Büro und telefonierte mit ernstem Gesicht. Wenzel unterhielt sich hinten im Büro mit Lydia. Schielin schnappte noch das Ende eines Satzes von ihr auf: »… ich habe das geahnt, Wenzel. Da war was im Busch.«
    »In welchem Busch?«, fragte Schielin und warf den Mantel auf die Ablage.
    »Na, wie waren die Lindauer Weihnachtsspiele?«
    »Oje, man hat sich nicht über das künstlerische Konzept einigen können. Schade, wo Ronsard so zugänglich war heute. Aber lenk nicht ab – welcher Busch …?«
    »Zindls Anwalt hat einen neuen Haftprüfungstermin beantragt. Es gibt jetzt eine Zeugin.«
    Schielin pfiff durch die Zähne. »Eine Zeugin, soso. Was bezeugt sie denn?«
    »Sie war mit ihm zusammen, in dieser Nacht.«
    »Oh, und es ist nicht seine Frau,

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