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Hahn, Nikola

Hahn, Nikola

Titel: Hahn, Nikola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Farbe von Kristall
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schön, um drinnen zu versauern.«
    Victoria
sah Floras bittende Miene. »Gut. Ausnahmsweise.«
    Er nahm
einen großen und einen kleinen Sackpaletot und zwei mit blauen Spitzenschleiern
versehene Automobilhüte aus dem Koffer. »Ihre Ausstattung, meine Damen. Ich
hoffe, ich habe die richtigen Größen gewählt.« Flora zog den kleineren Paletot
und einen Hut an und betrachtete sich kichernd im Spiegel.
    »Das
kleidet Sie nicht übel, gnädiges Fräulein«, bemerkte Hopf.
    »Louise
würde sagen, ich sehe aus wie ein Klabautermann.«
    Hopf
zog die Mütze ab und legte die Maske an. »Und wie sehe ich aus?«
    »Grauslich,
ehrlich.«
    Lachend
gingen sie nach draußen. Das Automobil stand am gegenüberliegenden
Chausseerand. Wären das Lenkrad und der metallverkleidete Motorblock nicht
gewesen, hätte man es für eine pferdelose Kutsche halten können. Das Verdeck
war zurückgeschlagen, Lampen und Signalhorn glänzten in der Sonne. Flora
grinste. »Das sieht ja aus wie eine Erdbeere!«
    »Nun,
die Farbe ist sicher nicht jedermanns Geschmack, aber einem wilden Stier werden
wir nicht gleich begegnen«, erwiderte Hopf.
    Flora
studierte den Fabrikationsaufdruck. »Adler Phaeton 1902 8PS. Sag bloß,
das ist auch von den Adlerwerken? Genau wie mein Fahrrad! Das hat sogar einen
Adler mit Flügeln hintendran, damit sich mein Kleid nicht in den Rädern
verfängt. Und die Füße des Adlers kann ich ausfahren zum Bremsen. Eine
Rücktrittbremse hat es auch. Das ist ganz neu, sagt Großpapa.«
    Hopf
lächelte. »Mit so viel Raffinesse kann ich nicht aufwarten, gnädiges Fräulein.
Aber wenn die Bremsen versagen, kann ich den Anker auswerfen.«
    »Ach,
du verkohlst mich.«
    Er
zeigte unter den Wagen. »Man nennt das Rücklauf streben. Sobald wir einen
steilen Berg hinauffahren, und der Motor fällt aus, bohren sich die Eisen in
den Boden und verhindern, daß wir rückwärts wieder runterrollen.«
    »Und
wie kriegst du das Automobil zum Fahren?«
    »Zuerst
solltest du einsteigen, oder?«
    Hopf
half Victoria und Flora auf den hinteren Doppelsitz und ging vor den Wagen. Bis
er es geschafft hatte, den Motor anzukurbeln, war er schweißgebadet. Er stieg
vorn ein und löste die Bremsen. Hustend und knatternd setzte sich das Gefährt
in Bewegung.
    »Mit
Pferden wären wir schon am Palmengarten«, rief Victoria gegen den Lärm an.
    »Pferde
ist ein gutes Stichwort«, rief Hopf zurück.
    »Ich
will erst einmal dieses Abenteuer heil hinter mich bringen, Herr Hopf.«
    Er bog auf
die Untermainbrücke ein. »Julius Bierbaum ist mit einem solchen Wagen bis nach
Italien gefahren - da werden wir es ja bis zur Sachsenhäuser Warte schaffen,
oder?«
    »Kommst
du auch zum Gordon-Bennett-Rennen, Karl?« fragte Flora.
    »Gibt
es irgend jemanden, der nicht hingeht?«
    »Papa
müssen wir noch überreden. Er sagt, er mag die stinkenden Dinger nicht. Aber
Großpapa hat uns Karten an der Saalburg gekauft. Eine hat zwanzig Goldmark
gekostet. Da wird er schon mitmüssen.«
    Die
Antwort Hopfs ging in einem Salut von Schüssen unter, die sich zugleich mit
einer schwarzen Wolke aus dem Auspuffrohr entluden. Der Wagen ruckte und blieb
stehen.
    »Bierbaum
hatte einen guten Mechaniker, was?« sagte Victoria. Sie stieg mit Flora aus
und sah über den Main, während Hopf sich bemühte, den Schaden zu beheben. Nach
einer halben Stunde gab er auf. »Ich glaube, ich werde einen kleinen
Spaziergang zu den Adlerwerken unternehmen müssen. Darf ich Ihnen eine Droschke
bestellen?«
    »Danke.
Wir spazieren auch«, entgegnete Victoria amüsiert.
    »Heißt
das, es geht nicht mehr weiter?« fragte Flora enttäuscht.
    Hopf
putzte sich die ölverschmierten Hände an einem Tuch ab. »Ich verspreche dir,
wir holen den Ausflug bald nach.«
    Victoria
zog Mantel und Hut aus und gab sie ihm. »Wenn Ihr avisierter Ausritt genauso
endet, habe ich mich ja auf was Schönes eingelassen.«
    »Bei
Professor Moriarty hilft ein Zuckerstück, wenn er stehenbleibt. Wie wär's mit
nächstem Samstag?«
    »Schlimmer
kann es nicht werden, oder?«
    Er
verbeugte sich. »Ich erwarte Sie.«
    Nach
ihrer Rückkehr holte sich Victoria etwas zu lesen aus der Bibliothek und verzog
sich in Richards Zimmer. Es war schon dunkel, als er heimkam. »Na? Gibt es was
Wichtiges zu besprechen?« fragte er lächelnd.
    Sie
legte das Buch weg und stand auf. »Nein. Ich möchte bloß nicht, daß du es von
anderen erfährst und falsche Schlüsse ziehst. Karl Hopf hat Flora und mich
heute zu einem Ausflug mit seinem Automobil

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