Hahn, Nikola
Händen lebhaft gestikulierend, den Blick meist zu Boden
gesenkt.
Stafforst schildert, wie Groß ihm von dem
reichen Herrn Lichtenstein erzählt habe, und wie die blutige Tat zur Ausführung
gelangte. Auch jetzt stellt er die Sache so dar, als ob er nur unter dem Einflüsse
von Groß gehandelt habe.
-Vors.: Sie gehen aber nicht weg, sondern
kommen am andern Tag pünktlich wieder, Sie kaufen den Strick, Sie teilen die Waffen, Sie tun
nicht nur den ersten Schlag, sondern sind auch gleich mit dem räuberischen
Anfall zur Hand, in dem Sie dem Lichtenstein Uhr und Kette herausreißen.
Konnten Sie da im Zweifel sein, daß es um Tod und Leben ging?
- Stafforst (weinend): Nein.
- Vors.: Ist Ihnen bekannt, daß auf dem
Verbrechen, das Sie hier zugestanden haben, der Tod steht?
-Stafforst (weinend und das Taschentuch
ziehend): Ja.
- Vors.: Was haben Sie zu Ihrer Entschuldigung
anzuführen?
-Mit kaum vernehmbarer Stimme erwidert
Stafforst, er habe sich wiederholt vergeblich um Arbeit bemüht.
Vernehmung des Groß
Kurz nach elf Uhr ist die Vernehmung des
Stafforst beendet, und nun ändert sich das Bild. Während Stafforst gedrückt und
zum Teil weinend sprach, zeigt sich Groß selbstbewußt und angriffslustig. Schon
die Leipziger Falschgeldsache stellt er so dar, als ob Stafforst ihn zur
Ausgabe des Geldes habe benützen wollen.
»Er hat in Leipzig dieselbe Rolle gespielt«,
ruft er,
»wie hier bei Lichtenstein. Er ist derjenige,
der die Seele von Lichtenstein auf dem Gewissen hat. Er hat ihm bei seinem
letzten Atemzug die Augen zugedrückt!«
Und dann beginnt ein Redefluß, der kaum
einzudämmen ist und das Ziel verfolgt, Stafforst als den Anstifter des ganzen
Anschlags hinzustellen.
»Ich
wollte mit der Sache nichts zu tun haben!« wiederholt er mehrmals.
-
Vors.: Weshalb haben Sie dann dem Stafforst einen Revolver gegeben?
- Groß:
Er wollte den Mann stellen.
-
Vors.: Wollten Sie sich an dem Stellen beteiligen? Weshalb gingen Sie dann mit
nach oben?
- Groß:
Er war mit sich selbst noch nicht einig. Ich sagte: Wegen Geld vergießt man
kein Menschenblut.
Groß
erzählt dann weiter, er habe beständig die Absicht gehabt, den Stafforst von
der Tat abzuhalten.
»Aber«
- fährt er fort - »wer rutscht von hinten in das Haus hinein? Mein Stafforst.«
Oben
habe Stafforst den Lichtenstein erst mit dem Gewichtsstein und dann mit einem
Klavierstuhl niedergeschlagen. Dabei sei dem Stafforst etwas Gehirnmasse in
den Mund gespritzt, und er habe gerufen:
»Pfui,
Teufel, schmeckt das Zeug bitter.«
Unterdrücktes
Murmeln auf den Zuschauerbänken, in den Gesichtern spiegelte sich Entsetzen.
Die Witwe Lichtensteins hielt den Kopf gesenkt.
»Warum
haben Sie dann den Mord nicht verhindert?« fragte der Vorsitzende.
Bruno
Groß zuckte die Schultern. »Ich war so erschrocken, daß ich selbst nicht wußte,
was ich machen sollte.«
»Sie
bekennen sich also offenbar nicht schuldig?«
»So
wahr ein Gott im Himmel lebt, bin ich unschuldig!« rief Groß.
»Sie
haben den Stafforst seit 1901 nicht mehr gesehen. Woher soll er Kenntnis von
Lichtenstein, von seiner Erbschaft und so weiter gehabt haben?«
»Aus
der Zeitung.«
»Warum
haben Sie denn den Stafforst nicht der Polizei übergeben?«
»Ich
weiß eigentlich selbst nicht, wie mir da oben nach der Tat zu Mute war.«
Laura
betrachtete Groß' stoischen Gesichtsausdruck und erinnerte sich, wie er seine
Aussage im Polizeipräsidium gemacht hatte. Da war er genauso kühl und
berechnend gewesen. Als habe er die Zuversicht, daß er nur hartnäckig genug
leugnen
müsse,
um aus der Sache heil herauszukommen. Stafforst dagegen saß zusammengesunken
auf der Anklagebank, das Gesicht gerötet, die Augen vom Weinen geschwollen.
»Was
sagen Sie dazu, daß man trotz der Reinigung noch Blut an Ihrem Anzug gefunden
hat?« setzte der Vorsitzende die Befragung fort.
Groß
lächelte. »Es kann möglich sein, daß Blut an meinem Anzug ist, und zwar sehr
viel Blut. Aber das war mein eigenes Blut, weil man sich bei der Arbeit oft
gerissen hat.«
»Wenn
nun noch bewiesen würde, daß Ihre Hand am Kragen des Lichtenstein abgedrückt
ist, was würden Sie dann sagen?«
»Dann
würde ich sagen, das sei nicht wahr.« Er hob theatralisch die Hände. »So wahr
ich hier stehe, ich habe den Mann nicht angerührt!«
»Aber
Ihre Stiefel sind voll Blut, Ihre Hose ist blutig, Sie haben den Gewichtsstein
gekauft und wollen immer noch leugnen?«
Groß
beteuerte aufs neue seine Unschuld. Laura
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