Hahn, Nikola
interessiert?«
Richard
gab ihr den Brief, den er am Vormittag erhalten hatte. »Kannst du mir sagen,
aus welcher Quelle das stammt?«
Wenn
sie überrascht war, ließ sie es sich nicht anmerken. «Omne ignotum pro
magnißco. Wenn ich mich nicht sehr täusche, ist das von Tacitus. Und das
Gedicht kommt mir auch bekannt vor.«
»Jemand
sagte, der Prosatext sei ein Zitat aus einem Detektivroman.«
Cornelia
lachte. »Da ist Victoria wohl der bessere Ansprechpartner, oder? Raus mit der
Sprache: Was willst du?«
»Ich
dachte, du könntest vielleicht deine Kontakte spielen lassen und etwas für mich
herausfinden.«
»Der
verschwiegene Kommissar Biddling braucht Hilfe? Dann mußt du aber ein bißchen
gesprächiger sein als gewöhnlich, mein Lieber.«
Richard
zeigte auf den Brief. »Das bekomme ich seit Jahren in Häppchen serviert. Ich
habe den Verdacht, daß es mit... damals zu tun hat. Du weißt schon.«
»Warum
fragst du nicht Victoria? Außerdem weißt du selbst am besten, was passiert ist,
oder?«
»Nein.«
»Ach,
erzähle mir nichts! Da wurde einiges unter den Teppich gekehrt.«
»Es war
für alle Beteiligten das beste.«
»Aber
anscheinend hast du ein Problem damit. Geister der Toten!«
»Was?«
fragte Richard verstört.
»Warte
einen Moment.« Sie verschwand und kam mit einem schmalen Buch wieder. »Die
Verse stammen aus dem Gedicht Geister der Toten von Edgar Allan Poe. »Dein
Seel'wird einstens einsam sein/in grauer Grabsgedanken Schrein...« Sie sah
sein Gesicht und lachte. »Ist dir einer der Geister begegnet, Schwager?« Sie
schlug das Buch zu. Aus ihren Augen war jeder Spott verschwunden. »Wenn ich dir
helfen soll, muß ich alles wissen. Also?«
Richard
fuhr sich übers Gesicht. »Im Januar kam ein Arbeiter von Pokorny & Wittekind
ums Leben. Einiges deutet darauf hin, daß es kein Unfall, sondern Mord war. Und
der Mörder versucht jetzt offenbar, meinen Gehilfen zu bestechen, um Informationen
über meine Ermittlungen zu bekommen.«
»Und
was hat das mit den Drohbriefen zu tun, die du erhältst?«
»Die
ersten dieser Briefe und das Schreiben an meinen Gehilfen wurden auf der
gleichen Schreibmaschine geschrieben.«
»Bitte
- was?« sagte sie entgeistert.
»Aufgrund
der Ausdrucksweise und der Literaturkenntnisse gehe ich davon aus, daß der
Verfasser - oder die Verfasserin -aus gutbürgerlichen Kreisen stammt.«
»Du
glaubst, daß eine Frau ...?«
»Es
gibt eine bestimmte Vermutung.«
»Darf
ich fragen, wohin diese Vermutung führt?«
»In die Laterna Magica, das...«
»... Erste
Bordell am Platze.«
»Ich
sehe, du weißt Bescheid.«
»Ich
werde versuchen, was ich tun kann.«
Richard
nahm ihre Hand und deutete einen Kuß an. »Danke.«
»Keine
Ursache. Und bitte: kein Wort zu irgendwem. Ich habe einen Ruf zu verlieren.«
Richard nickte und ging. Cornelia sah ihm nach.
»Na?
Woran denkst du?«
Sie
fuhr herum. »Andreas! Kannst du nicht einmal hereinkommen, ohne mich zu Tode
zu erschrecken?«
»Das
lag nicht in meiner Absicht, Schwester. Dein Garten ist ein Gedicht. Die Rosen
riechen wunderbar.« Er sah sie ernst an. »Bitte, Cornelia. Mir mußt du nichts
vorspielen.«
»Was
sollte ich dir vorspielen?«
»Verzeih,
daß ich das so offen sage: Du bist eine erfolgreiche und angesehene Frau, aber
du machst mir nicht den Eindruck, als wenn du sehr glücklich dabei wärst.«
»Das
sagst ausgerechnet du.«
Er
faßte ihre Hände. »Ich denke oft daran, wie wir als Kinder unter der alten
Eiche im Garten gesessen und die herrlichsten Luftschlösser gebaut haben.«
»Vorbei
und vergessen. Das Leben ist hart, besonders für Dichter, Bruder.«
»Ich
wünschte, Tennitz hätte ein bißchen mehr von dem Mädchen übriggelassen, das ich
so bewundert habe.«
Sie
machte sich von ihm los. »Ich habe ihm keine Träne nachgeweint. Keine einzige,
verstehst du? Ich bin vom Friedhof nach Hause gegangen und habe gelacht! Dieser
Dreckskerl hat
mein
Kind auf dem Gewissen! Er hat...»Sie brach ab und nahm die Gießkanne. »Ich habe
viel von ihm gelernt. Alles habe ich von ihm gelernt. Vor allem, daß man keinem
Menschen trauen darf.«
»Ich
bin für dich da, wenn du mich brauchst, Cornelia.« Sie sah ihn verächtlich an.
»Du kommst ja nicht mal mit deinem eigenen Leben zurecht.«
Er
berührte ihre Wange. »Warum bist du so verbittert?« »Du solltest dir überlegen,
ob es Vicki Biddling wert ist, daß du dich für sie zum Narren machst, kleiner
Bruder«, sagte sie und goß weiter.
Als
Richard nach
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