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Hahn, Nikola

Hahn, Nikola

Titel: Hahn, Nikola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Farbe von Kristall
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Hause kam, begrüßte ihn Flora schon im Foyer. »Stell dir vor,
Malvida hat heute zum ersten Mal Männchen gemacht! Und Karl war wieder da und
hat sein Automobil mitgebracht. Bist du schon mal Automobil gefahren, Papa?«
    »Laß
doch deinen Vater erst einmal hereinkommen, Liebes«, sagte Victoria. Flora
nickte und lief in den Salon. Victoria küßte Richard auf die Wange. »Ißt du mit
uns zu Abend?«
    »Nein.
Ich habe Kopfschmerzen. Ich werde gleich zu Bett gehen. Kennst du zufällig das
Gedicht Geister der Toten?«
    »Von
Edgar Allan Poe. Ja, sicher. Warum fragst du?«
    Richard
starrte ihr Dekollete an. Er zeigte auf den Kristall. »Woher hast du das?«
    Sie
lächelte verlegen. »Das habe ich dir doch gesagt: Ein Freundschaftsgeschenk von
Karl Hopf.«
    »Genau
das gleiche Freundschaftsgeschenk hat er einer Hure gemacht«, sagte er und
ging.
     
    Kapitel
20
     
    Freitag,
17. Juni 1904
    Frankfurter
Zeitung und Handelsblatt
     
    Internationaler
Frauenkongreß. Berlin. In ausgezeichneter
Rede wies Frl. Pappritz auf die wirtschaftlichen Ursachen der Prostitution hin
und verlangte Verbesserung der Lage der arbeitenden Frauen sowie Bestrafung
der Übertragung von Geschlechtskrankheiten.
    Frl.
Grohnemann, Wien, schilderte die Stellung der österreichischen Staatsbeamtinnen.
Es besteht ein Heiratsverbot, und uneheliche Mutterschaft zieht Amtsverlust
nach sich. In Holland sind die verheirateten Frauen vom Postdienst ausgeschlossen
- aus Sittlichkeitsgründen.
    In der
Sittlichkeitsfrage kamen sämtliche Rednerinnen zu dem Ergebnis, daß eine
Besserung der Zustände in erster Linie eine andere Erziehung der Männer
verlange.
     
    Gordon-Bennett-Rennen. Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus.
In Homburg kann man gegenwärtig alles haben, nur keine benzinfreie Luft. Das
surrt und zischt, das knattert und rattert vom ersten Hahnenschrei an bis zum
letzten Stammgastseufzer. Hunderte von Automobilen sausen durch die Straßen.
Wer da meint, daß sie alle die vorschriftsmäßige
Fünfzehn-Kilometer-Geschwindigkeit einhalten, irrt sich. Und das Non plus
ultra ist der Rennwagen. Im ruhenden Zustand macht er eher einen bescheidenen
Eindruck. Wehe aber, wenn er losgelassen!
     
    D er Mann war klein, stämmig und nachlässig gekleidet. »Ehrlich,
Edel Das is doch Verschwendung, sie in den Main zu schmeißen.«
    Ede
schob seine Mütze hinter die Stirn und kratzte sich am Ohr. »Mhm, eigentlich
haste recht. Aber wir ha'm nu mal den Auftrag...«
    »Das
Ding auf Nimmerwiedersehn verschwinden zu lassen, ja. Und wer verbietet uns, 'n
paar Groschen dabei gutzumachen?«
    »Na,
was denkste?«
    »Der
alte Tönges in der Kaffeegass. Spezialfreund von mir.«
    Ede zog
die Stirn in Falten. »Der wird das Gerät doch net mehr los! Oder glaubst du, da
verirrt sich so'n feines Bürofräulein hin?«
    »Dummkopp!
Überleg mal, wo wir das Ding abgeholt ha'm.«
    Ede
lachte. »Die Huren sin halt auch net mehr, was sie mal war'n.«
    »Wem
sagste das! Und wenn der Tönges net will, hätt ich 'ne andre Idee.«
    Es
hatte nichts gebracht. Sie waren genausoweit wie vor drei Wochen. Richard sah
aus dem Fenster. Die Trambahn klingelte. Zeitungsverkäufer wetteiferten um ihre
Kundschaft.
    »Es tut
mir leid, Herr Kommissar«, sagte Paul Heusohn. »Ich glaube, ich kann nicht
besonders gut lügen.«
    »Schon
gut«, entgegnete Richard.
    »Und
was tun wir jetzt?«
    »Ich
gehe in die Laterna Magica und knöpfe mir Zilly vor.«
    »Glauben
Sie wirklich, daß sie hinter all dem steckt?«
    »Wer
sonst?«
    »Fritz
Wennecke und die Laterna Magica - das paßt einfach nicht zusammen. Hat
Herr Braun denn nichts herausgefunden?«
    »Nichts,
das von Belang wäre.« Richard dachte an das Gespräch, das er am Vorabend im
Rapunzelgäßchen geführt hatte.
    »Wenn
nichts zu ermitteln ist, ist eben nichts zu ermitteln, Herr Kommissar.«
    »Ihre
Weisheiten sind bestechend, Braun.«
    »Und
was Ihren Schwager angeht... Es gibt genügend ernstzunehmende Stimmen in
diesem Land, die die Abschaffung des Paragraphen 175 fordern.«
    »Solange
Homosexualität strafbar ist, bin ich als Polizeibeamter verpflichtet
    »Die
Entscheidung liegt selbstverständlich bei Ihnen. Allerdings sollten Sie
bedenken, daß Ihr Schwager nach derzeitigem Ermittlungsstand nicht Täter,
sondern Opfer ist. Und was den anonymen Zettel angeht - Sie haben ihn
Polizeirat Franck vorgelegt, und er hat ihn als Unsinn abgetan. Was wollen Sie
noch?«
    Richard
schloß das Fenster. Sackgassen, wohin er blickte. Wenigstens

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