Hahn, Nikola
Frauen
Geheimniskrämer sind, ist nichts Neues.«
Heiner
sah Richard fassungslos an. »Sie glauben doch nicht, daß Victoria...?«
Er
zuckte die Schultern. »Ich weiß schon lange nicht mehr, was ich glauben soll.
Verflucht! Warum gibt sie sich mit diesem Kerl ab?«
»Vielleicht,
weil sie einsam ist? Weil sie einen Menschen braucht, mit dem sie reden kann?«
»Und
das muß ausgerechnet dieser Widerling von Hopf sein?«
Heiner
legte den Brief auf den Tisch. »Nehmen Sie's mir nicht übel, aber daran
beteilige ich mich nicht.«
»Woran?«
fragte Richard verblüfft.
»Daß
Ihre Frau etwas mit diesen Dingen zu tun hat, ist ausgeschlossen! Wenn Sie
meinen, diesbezügliche Überlegungen anstellen zu müssen, tun Sie es bitte ohne
mich.«
Richard
lachte. »Liebe Zeit, Braun! Man könnte fast meinen, Sie seien ein Ritter, der
um sein Burgfräulein kämpft.«
Er
grinste verlegen. »Ich kenne Victoria schon ein bißchen länger als Sie.«
»Dafür
bin ich ein bißchen länger mit ihr verheiratet.« Er schob ihm den Brief hin.
»Über welche Theorie wollen wir uns unterhalten?«
»Ich fände
es hilfreich, wenn ich auch die übrige Korrespondenz einsehen könnte.«
»Wenn's
nicht mehr ist.« Richard holte die anderen Briefe aus seiner Mappe.
»Das
sind alle?« fragte Heiner.
»Nein.
Einen habe ich nach Hause geliefert bekommen. Und der allererste ist, wie Sie
wissen, bei den Akten.«
»Ich
erinnere mich, ja. Zusammengeschnittene Zeitungsbuchstaben und ein
Erpressungsversuch.« Heiner öffnete die Umschläge und studierte den Inhalt.
»Ich
frage mich, warum der Schreiber seine Taktik geändert hat«, sagte Richard.
»Erpressung
ist strafbar, Gedichte zu schicken, nicht.«
»Also
ein Irrer.«
Heiner
schüttelte den Kopf. »Für einen Geisteskranken klingt das zu planvoll. Als habe
jemand passende Zitate zusammengesucht, um Ihnen etwas nicht sehr Nettes zu
sagen. Da in dem Erpresserbrief Eduard Könitz angesprochen wurde, könnte Ihre
Vermutung stimmen, daß es mit seinem Tod zu tun hat. Vorausgesetzt, das erste
Schreiben gehört überhaupt dazu.«
»Jedenfalls
weiß ich seit heute, daß diese Briefe mit der Erpressung von David
zusammenhängen. Auch wenn ich nicht die geringste Ahnung habe, wie und warum.«
Richard legte die Photographien auf den Tisch. »Das erhielt ich als Beigabe. David
behauptet, Hopf habe nichts mit der Sache zu tun. Die Frage ist, ob er nicht
irrt. Und welche Rolle Zilly spielt.«
Heiner
sah die Bilder an und wandte sich wieder den anonymen Schreiben zu. Plötzlich
stutzte er. Er wies auf die aus dem Jahr 1901 stammenden Briefe. »Wie Sie
wissen, hat unsere Schreibmaschine ein kleines Problem.«
Richard
nickte. »Das springende i. Aber was hat das mit diesen Briefen zu tun?«
»Die
Maschine, auf der die Mitteilungen an Sie geschrieben wurden, hat auch ein
Problem: In der Rundung des kleinen e ist ein winziger Fleck.« Heiner legte
Richard den an Paul Heusohn gerichteten Brief hin. »Schauen Sie sich das kleine
e an.«
Richard
wurde blaß. »Das gibt es doch nicht!«
Heiner
zuckte die Schultern. »Entweder ist es ein unglaublicher Zufall, oder der Fall
Wennecke hat in Wahrheit schon vor drei Jahren angefangen.«
»Warum
will eine Person, die mich mit Zitaten belästigt,
plötzlich
Informationen über ein Todesermittlungsverfahren bei Pokorny? Das hat keinen
Sinn!«
»Vielleicht
kämen wir einen Schritt weiter, wenn Sie wüßten, aus welchen Quellen die
übrigen Texte stammen. Insbesondere die Verse. Sie sollten Victoria die Briefe
zeigen. Sie kann Ihnen bestimmt helfen.«
Richard
stand auf. »Nein, Braun. Und ich verbiete Ihnen, ihr jemals ein
Sterbenswörtchen zu verraten.«
»Ich
versprech's«, sagte Heiner. »Auch wenn ich es für grundfalsch halte.«
Cornelia
Gräfin von Tennitz goß Orchideen, als Richard in den Wintergarten kam. Er
deutete eine Verbeugung an. »Guten Tag, Cornelia. Du...«
»Ich
sehe wunderschön aus, und die Blumen sind bezaubernd«, sagte sie spöttisch.
»Am besten kommst du gleich zur Sache.«
Er
betrachtete eine feurig geflammte Blüte. »Manchmal habe ich das Gefühl, du
trägst mir mein Nein immer noch nach.«
»Warum?
Ich weiß doch, daß du das Abbild eines treuen Ehegatten bist. Und sei es
schlicht aus Mangel an Phantasie und Zeit. Aber du bist sicher nicht hier, um
meine Oncidium papilio zu inspizieren, oder?«
Er
lächelte. »Ich brauche deinen literarischen Rat.«
Sie sah
ihn erstaunt an. »Seit wann bist du an schöngeistiger Lektüre
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