Hahn, Nikola
verübt
worden ist. Herr Consolo und ich benachrichtigten rasch einen Schutzmann. Zu
vieren - mit dem Schutzmann Heinz - durchsuchten wir sodann das Lager. Im
hinteren Raum sah ich Herrn Lichtenstein mit einer Schnur um den Hals in
seinem Blut liegen.«
»Woher
wußten Sie, daß es sich bei dem Mann um Lichtenstein handelte?«
»Herr
Consolo wußte es. Schutzmann Heinz bat uns hinaus und machte seiner Behörde
telephonische Meldung. Ich sandte Herrn Schick, der inzwischen gekommen war,
nach einem Arzt. Vielleicht konnte er noch Rettung bringen. Das war aber leider
nicht der Fall.«
»Herr
Schick ist Ihnen demnach bekannt?« fragte Richard.
»Nein.
Ich habe seinen Namen erst erfahren, als Schutzmann Heinz ihn bat, den Toten zu
agnoszieren. Ich war heute zum ersten Mal in Lichtensteins Geschäft und weiß
nicht, wer dort alles arbeitet.«
»Haben
Sie irgendwelche verdächtigen Wahrnehmungen gemacht oder im Haus außer Herrn
Consolo und Herrn Neander weitere Personen angetroffen?«
»Nein.«
Richard
bedankte sich und bat als nächstes Neander herein. Er war ein schmächtiger Mann
mit blasser Haut und unstet flackernden Augen. Seinen Vornamen gab er mit
Hermann an, sein Alter mit achtunddreißig, aber er wirkte gute zehn Jahre älter.
Seit einem Unfall trug er eine Beinprothese und konnte sich nur mühsam
fortbewegen. Während er Richards Fragen beantwortete, fuhren seine Finger auf
der Tischplatte hin und her. Vor zwei Jahren sei er von Limburg nach Frankfurt
in diese Wohnung gezogen und seitdem als Bürogehilfe in der Rechtsanwaltskanzlei
Mettenheimer und Pachten beschäftigt, deren Büroräume in der zweiten Etage über
den Lagerräumen der Firma Lichtenstein lägen.
»Ich
war um die Mittagszeit allein in der Kanzlei und mit Schreibarbeiten
beschäftigt. Um kurz vor halb eins hörte ich unartikulierte Laute, die in
dumpfem Stöhnen verhallten. Ich dachte, daß Herr Rogge vielleicht einer Dame
einen Zahn zieht.« Auf Richards fragenden Blick fügte er hinzu: »Herr Rogge
praktiziert als Dentist im dritten Stock, und wir hören öfter
Schmerzgeschrei.«
»Wer
ist wir?« fragte Richard.
»Ich
und die Herren Rechtsanwälte und auch andere Leute im Haus. Sogar bis in die
Buchhandlung Auffarth im Erdgeschoß hat man schon einmal eine Dame schreien
hören. Wer denkt denn da gleich an das Fürchterlichste? Und doch...« Er knetete
seine Hände und sah Richard mit einem verzweifelten Gesichtsausdruck an. »Herr
Kommissar, ich weiß es jetzt! Dieser gurgelnde, langgezogene Laut... Das war
ganz sicher das letzte Stöhnen eines Erdrosselten! Ich hätte unverzüglich hinuntergehen
und nachschauen müssen! Aber glauben Sie mir, der Mörder bin ich nicht!«
»Davon
war nicht die Rede«, sagte Richard, aber Neander schien ihn nicht zu hören. Er
fing an, Theorien über internationale Verbrecherbanden aufzustellen, die vor
weiteren Meuchelmorden sicherlich nicht zurückschreckten. Seine Stimme klang
hysterisch, und Richard entschied, die Befragung zu beenden.
Als
letztes hörte er Lichtensteins Auslaufer Anton Schick. Obwohl dem alten Mann
anzusehen war, wie sehr ihn der Tod seines Chefs mitnahm, gab er geduldig
Auskunft über sein Arbeitsverhältnis und schilderte den Ablauf des Tages bis
zur Mittagszeit, als Lichtenstein ihn über das Telephongespräch mit dem
Pianisten Consolo unterrichtet hatte.
»Ist
Ihnen in letzter Zeit irgend etwas Besonderes an Herrn Lichtenstein
aufgefallen?« fragte Richard. »War er anders als sonst?«
Anton
Schick antwortete, ohne zu zögern. »Ja. Seit etwa einer Woche wirkte er
bedrückt und sprach weniger als üblich.«
»Welchen
Grund könnte es dafür geben?«
»Ich
weiß es nicht. Er war stark erkältet. Vielleicht kam seine Verstimmung daher.«
»Das
glauben Sie nicht wirklich, oder?«
»Nein.
Aber wenn ich fragte, sagte Herr Lichtenstein, es sei alles in Ordnung.«
»Gab es
größere Bargeldbestände im Kassenschrank?«
»Etwa
achthundert Mark. Herr Lichtenstein achtete darauf, daß Geldbeträge regelmäßig
zur Einzahlung gebracht wurden. Erst am Vormittag hatte er mich mit
einhundertfünfundvierzig Mark zur Post gesandt. Aber der Geldbriefträger, der
normalerweise kurz vor Mittag kommt, blieb heute aus. Lieber Gott, ich...« Er
kämpfte gegen die Tränen. »Warum hat er nicht auf mich gehört? Ich habe es ihm
doch wieder und wieder gesagt.«
»Was
haben Sie ihm gesagt?«
»Daß er
nicht so oft allein hier sein soll. Daß es besser wäre, einen zweiten
Mitarbeiter
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