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Hahn, Nikola

Hahn, Nikola

Titel: Hahn, Nikola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Farbe von Kristall
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aber sie riß
sich zusammen. Sie fing an zu tippen, und ihre Gedanken schweiften zu Martin.
Noch immer genügte ein Blick von ihm, ihre Hände zittern und ihr Herz
flattern zu lassen. Sooft sie ihm im Flur begegnete, versuchte er, sie in ein
Gespräch zu verwickeln, aber sie ließ es nicht zu. Es war vorbei. Es mußte
vorbei sein! Und doch hatte Victoria Biddlings Spur zu Hopf in ihr die
verrückte Hoffnung wachgerufen, daß er vielleicht unschuldig war. Als ob das
etwas änderte!
    Ich
vermisse dich, hatte er ihr am Morgen
zugeflüstert, und sie hatte sich richtig gut gefühlt. Er sollte genauso leiden
wie sie! Aber wenn er litt, hieß das nicht, daß er sie liebte? Angenommen,
Vicki Biddling bliebe in Berlin und seine reiche Heirat zerschlug sich... Ob
er mit ihr nach Stuttgart ginge?
    »Ja,
Himmel noch mal!« rief Beck. »Habe ich es nur noch mit Träumern zu tun?«
    Laura
zuckte zusammen. »Entschuldigen Sie.«
    Beck
setzte seinen Hut auf. »Bis ich zurückkomme, werden Sie ja wohl den
läppischen Bericht über diesen verrückten Kanalkriecher getippt haben.«
    Jetzt
wußte sie es wieder: Der schmuddelige Italiener, der in der Kornblumengasse um
Geld gebettelt hatte. Comoretto, die Kanalratte, hatte Martin gesagt.
»Haben Sie vielleicht eine Photographie von dem Toten, Herr Kommissar?«
    Beck
sah sie an, als sei sie von allen guten Geistern verlassen und verließ das
Büro. Aufgeregt schrieb Laura weiter.   Viele
    Tiere
sind im Turm. Hatte Comoretto Ratten
gemeint? Und mit dem Turm einen dieser Stinktürme? Martin kannte Comoretto. Und
Martin hatte sich früher im Kanal herumgetrieben. Und auf diesem anonymen
Zettel stand, daß der Stinkturm und der Kanal etwas mit Wenneckes Tod zu tun
hatten. Konnte das alles wirklich Zufall sein? Der Gedanke tat weh, und sie
würde nicht eher Ruhe finden, bis sie die Wahrheit wußte. Ein Blick zur Uhr
sagte ihr, daß Feierabend war. Beck hatte nicht angeordnet, daß sie länger
bleiben sollte. Sie legte den Bericht auf seinen Schreibtisch und ging nach
Hause. Als sie Heiner Braun nicht antraf, fuhr sie in den Untermainkai.
    Victoria
Biddling empfing sie in ihrer Bibliothek. »Wir schauen nach!« bestimmte sie,
als Laura geendet hatte.
    Laura
riß ihren Blick von den Bücherwänden los. »Wie bitte?«
    »Wenn
dieser Comoretto tatsächlich in einem der Stinktürme gelebt hat, wird er dort
seine Habseligkeiten haben, oder?«
    »Kommissar
Beck
    »...
geht mal wieder von einem Selbstmord aus«, winkte Victoria ab. »Das tut er
offenbar gern. Daß in seinem Bericht steht, der Italiener sei obdachlos,
untermauert jedenfalls Ihre Theorie.« Sie sah Laura mit einem abschätzenden
Blick an. »Ja, die vom Gärtner könnten passen. Sie entschuldigen mich kurz?« Es
dauerte nicht lange, und sie kam mit einem Korb und einem Kleiderbündel wieder.
»Die Bockenheimer Warte kommt am ehesten in Frage. Also fahren wir zuerst
dorthin. Aus taktischen Gründen sollten wir uns nicht direkt am Objekt absetzen
lassen.«
    »Sie
erinnern mich an meinen Vater, wenn er eine seiner fiktiven Schlachten
plante.« Laura zeigte auf die Bücher. »Haben Sie die alle gelesen?«
    »Mehrfach.«
Victoria klingelte. Tessa kam herein. »Veranlassen Sie, daß um neun Uhr zwei
Bäder gerichtet sind. Wie heißt noch gleich das Buch, das Herr Heynel in seinem
Regal stehen hat?« Laura sagte es ihr. Victoria nickte. »Wir gehen zuerst nach
nebenan in die Bibliothek. Dieses Werk fehlt nämlich in meiner Sammlung.«
    Eine
Dreiviertelstunde später setzte eine Droschke die beiden in Bockenheim ab.
Victoria drückte Laura den Korb in die Hand. »Sie spielen meine Dienerin, und
wir tun so, als ob wir spazieren gingen.«
    Gegenüber
der Bockenheimer Warte lag eine Gastwirtschaft. Zwei Männer sahen ihnen
hinterher, als sie die Straße überquerten. Victoria Biddling würdigte sie
keines Blickes. An der westlichen Seite eines runden Vorbaus sahen sie eine
Tür; sie war verschlossen. Eine zweite war offen. In einem unbeobachteten
Moment schlüpften sie hinein und folgten einem Wendelgang in den Turm. Durch
Schießscharten und Fensterchen fiel nur wenig Licht auf ein mächtiges Rohr in
der Turmmitte. Es bildete die Spindel einer Treppe, die hoch oben im Dunkel
verschwand.
    Victoria
vermutete, daß unterhalb der Turmspitze ein Boden eingezogen war. Sie zündete
eine Kerze an. Bei dem Rohr handelte es sich offenbar um den Abluftschacht.
Die Treppe sah wenig vertrauenerweckend aus.
    »Ich
hoffe nicht, daß Sie beabsichtigen,

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