Hahn, Nikola
14 zwanzig Mark nehmen und
meiner Frau geben?« Er bemerkte die
Gesichter von Laura und Victoria und lachte. »Ich hege ein Mißtrauen gegen
Bankgeschäfte.«
Als sie
sein Arbeitszimmer betraten, dachte Laura an die Bemerkung von Dr. Alzheimer.
Er hatte wahrlich nicht übertrieben. Bis auf einen schmalen Gang, der zu einem
Schreibtisch führte, war der gesamte Raum mit Akten und Büchern vollgestopft.
Sie stapelten sich sogar auf dem Fensterbrett Der Dackel verkroch sich in eine
Ecke. Dr. Ehrlich räumte zwei Stühle frei. Er sah Laura an. »Wie geht es Ihrer
Bekannten?« »Nun... besser.«
»Und
was macht Ihr Syphilis-Fall?«
»Die
Quecksilbersalbe scheint anzuschlagen. Sagen Sie kann eine Behandlung noch zur
Heilung führen, wenn der Patient ein Leukoderma aufweist?« »Was ist das?«
fragte Victoria.
»Eine Hautveränderung
runder oder ovaler Flecken die nach dem Abheilen frühsyphilitischer Knoten
auftritt, bei Frauen vorzugsweise am Hals, bei Männern am Rumpf«, erklärte Dr.
Ehrlich. Er sah Laura an. »Wie Sie sicher wissen, liegt die Gefährlichkeit der
Krankheit vor allem im Befall der inneren Organe. Und den kann man nun einmal
nicht genau diagnostizieren.«
Laura
nickte. »Es war auch nur eine allgemeine Frage Eigentlich sind wir nämlich wegen etwas anderem da.«
Victoria
gab ihm das Präparat aus Hopfs Labor. »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir
sagen könnten, was das ist.« »Nun... Ich müßte unter dem Mikroskop nachsehen.«
Die Sekretärin schaute herein. »Professor Dr. Sinnig fragt nach dem Ergebnis
der Serumprüfung.«
»Ach
je. Den habe ich doch glatt vergessen. Sagen Sie ihm ich komme sofort, Frau
Marquardt, Er wandte sich an Victoria' »Sie erhalten Nachricht, sobald ich
Näheres weiß.«
»Sie
glauben nicht, daß Frau Heusohn wieder gesund wird?« fragte Victoria, als sie
das Institut verließen.
»Wenn
ich ehrlich bin, nein«, sagte Laura. »Das Tückische an dieser Krankheit ist,
daß sie so viele Gesichter hat, und daß die ersten Symptome scheinbar folgenlos
wieder verschwinden. Kopfschmerzen, Fieber, Hautausschläge werden der Syphilis
meist erst zugerechnet, wenn es zu spät ist. Frau Heusohn hat sogenannte
Gummigeschwulste an den Unterschenkeln, knotige Geschwüre, die sich durch die
Haut fressen. Das ist ein Zeichen, daß die Krankheit in einem späten Stadium
ist.« »Und man kann gar nichts dagegen tun?« fragte Victoria. »Es gibt
Menschen, bei denen die Spätfolgen gar nicht oder erst viele Jahre nach der
Ansteckung auftreten, aber wenn sie ausbrechen, ist zumeist nicht mehr viel zu
machen. Man weiß ja nicht mal, was die Ursache dieser Krankheit ist. Die Quecksilberbehandlung
führt selbst bei frühestmöglicher Anwendung nur in etwa einem Viertel der
Fälle zur Heilung.« »Das ist ja furchtbar.«
Laura
nickte. »Ich habe in Berlin einen Fall erlebt, in dem ein Dienstmädchen, von
ihrem Liebhaber mit Syphilis angesteckt, schwanger wurde. Bei der Entbindung
des Kindes, das scheinbar gesund war, wurde die Hebamme angesteckt, das Kind
steckte seine Ziehmutter an, und die wiederum drei ihrer eigenen Kinder. Das
Kind des Dienstmädchens erkrankte nach Zwei Jahren und starb. Erst dadurch
wurde die unheilvolle Kette aufgedeckt. Wenn jemand weiß, daß er die Krankheit
hat, kann er Sorge tragen, daß die Ansteckungsgefahr minimiert wird, aber viele
Menschen wissen nichts von ihrer Infizierung oder sie schämen sich, zuzugeben,
an dieser Geißel Gottes zu leiden. Obwohl sie oft genug nichts dafür können.«
Sie gab Victoria die Hand. »Ich muß zurück, bevor Kommissar Beck mich vermißt.
Sagen Sie mir bitte Bescheid, was die Untersuchung von Dr. Ehrlich ergeben hat,
ja?«
Kommissar
Beck war noch unterwegs, als Laura ins Präsidium kam, und sie nutzte die Zeit,
den geplanten Brief an Henriette
Arendt
zu schreiben. Um sicherzustellen, daß er nicht durch Zufall oder Indiskretion auf
Francks Schreibtisch landete, brachte sie ihn persönlich zur Post. Beck kehrte
erst spätnachmittags zurück und legte ihr einen Todesermittlungsbericht hin.
»Das muß abgeschrieben werden.«
Laura
nickte und spannte ein leeres Blatt ein. Als sie die Personalien des Toten
las, stutzte sie. Romano Comoretto. Der Name sagte ihr etwas, aber sie
konnte sich nicht erinnern, in welchem Zusammenhang sie ihn schon einmal gehört
hatte.
»Ich
brauche das heute noch, gnädiges Fräulein!« sagte Beck.
Laura
hätte ihm am liebsten eine Unhöflichkeit an den Kopf geworfen,
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