Hahn, Nikola
Prozeß die Köpfe abschlagen sollte!«
Laura
sah ihn überrascht an. »Bitte?« »Kinderhandel! Noch nie davon gehört?« »Und was
hat das »Wo war das Geld?« fragte er schroff.
Es
wurde schon dunkel, als Anna Frick das Warenhaus Könitz verließ, aber es machte
ihr nichts aus, bis in den späten Abend hinein zu arbeiten. Sie konnte jeden
Pfennig brauchen. Ein Pärchen ging an ihr vorbei. Arbeiter stiegen in die
Trambahn. Auf der Straße fluchte ein Fuhrwerker.
Diesmal
stand er in einer Nische zum Nachbarhaus. Sie konnte sein Gesicht nicht sehen,
aber sie hatte keinen Zweifel, daß er es war. Irgendwann mußte es ein Ende
haben! Sie atmete durch und ging zu ihm hin. »Guten Abend, Herr Kommissar.«
»Guten
Abend, gnädiges Fräulein«, sagte Beck.
Trotz
des Dämmerlichts sah sie, wie erschrocken er war. Es tat gut, daß ein Mensch
wie er Angst haben konnte, auch wenn sie nicht verstand, warum. »Was wollen Sie
von mir?«
»Sie
mißverstehen die Situation. Ich kam zufällig vorbei.«
»Ach?
Sie kommen also jeden Abend zufällig hier vorbei? Wollen Sie Ihr Geld zurück?
Ich kann Ihnen eine Anzahlung geben und...«
»Die
Sache ist abgeschlossen.«
»Was
dann?«
»Wie
geht es Ihrem Sohn?«
»Gut.
Warum?«
Er zog
seinen Hut und ging.
*
Hans
leerte das Glas und fuhr sich über den Mund. »Wenn's jemand anners bezahle
tut, schmeckt des Stöffche gleich doppelt so gut.«
Heiner
Braun gab dem Wirt ein Zeichen, und er stellte zwei weitere Gläser Apfelwein
vor ihnen ab. »Du würdest mir wirklich einen großen Gefallen tun, wenn du dich
ein bißchen über diesen Comoretto umhören könntest.«
»Wenn's
net mehr is, Wachtmeister.«
»Ich
bin pensioniert, Hans.«
»Un
warum hör'n Se dann net auf zu arbeite?«
»Man
macht sich eben so seine Gedanken.«
Hans
grinste. »Ich tät mein letzte Grosche drauf verwette, daß Sie net glaube, daß
der Italiener von selber in de Senkkaste gefalle is.«
»Und
was glaubst du?«
Er
zuckte die Schultern. »So gern wie der bei de Ratte rumgekroche is, tät er sich
vermutlich aach mit Vergnüche in de Scheiße ersticke.«
Über
dem Waschtisch hing ein riesiger Spiegel. Der Rahmen war golden und schwer, ein
Erbstück seiner Mutter, das die Proportionen des Zimmers sprengte. Beck fragte
sich, warum er sich von dem Monstrum nicht längst getrennt hatte. Vielleicht,
weil der Blick hinein ihn daran erinnerte, daß er niemals leben würde wie
andere Menschen?
Sie
hatte ihr Haar gekämmt, schwarzes, glänzendes Haar, das er bewundert hatte. Warum
hast du mich rufen lassen, Mutter? Sie legte die Bürste weg, sah ihn durch
den Spiegel an. Gott allein weiß, wie schwer es mir fällt, Junge. Aber ich
schulde dir die Wahrheit. Am Abend vor seiner Verlobung. Ein wahrhaft
passender Zeitpunkt.
Er
hatte alles falsch gemacht, damals wie heute. Und doch wußte er, daß alle
Vernunft ihm nicht helfen würde. Er starrte in den Spiegel, und er haßte, was
er sah.
Victoria
und Heiner saßen bei einer Tasse Kaffee, als Laura nach Hause kam.
»Ich
habe Herrn Braun gerade das Ergebnis von Dr. Ehrlichs Untersuchung mitgeteilt«,
sagte Victoria. »Leider hilft es uns nicht viel weiter.« Sie berichtete Laura
von ihrem Besuch im Institut. »Was hat Kommissar Beck gesagt?«
»Wir
waren noch mal im Stinkturm, und ich habe ihm die Anzeigen gezeigt«, sagte
Laura.
»Was
denn für Anzeigen?« fragte Heiner.
»Angebote
für Kinderadoptionen. Ich muß gestehen, daß ich solche Annoncen zwar schon
öfter gesehen habe, mir aber nichts dabei dachte. Kommissar Beck behauptet, das
habe mit Kinderhandel zu tun. So recht verstehe ich es immer noch nicht.
Trotzdem könnte es sein, daß das eine neue Spur ist, oder? Vor allem im
Hinblick auf die große Geldsumme, die Comoretto bei sich hatte.«
»Kommissar
Beck hat vor zwei oder drei Jahren ein Ermittlungsverfahren gegen eine Bande
von Kinderhändlern geführt«, sagte Heiner. »Er hat ein paar kleine Fische
festgenommen, aber an die Hintermänner kam er nicht heran. Ich glaube, dieser
Mißerfolg wurmt ihn bis heute.«
»Heißt
das, daß diese Leute in unseren Zeitungen offen ihr schmutziges Geschäft
betreiben?« fragte Victoria aufgebracht.
Heiner
nickte. »Leider, ja. Bei den in den Anzeigen genannten Erziehungsbeiträgen
oder sonstigen Auslagen handelt es sich in Wahrheit um Verkaufspreise für die
Kinder beziehungsweise die Provisionen der Vermittler. Mädchen landen oft in
Bordellen, Jungen werden nach Übersee verschachert oder in den Osten
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