Hahn, Nikola
Zivilbeamte werden den Dienst, der sich auch
auf Nachtpatrouillen erstreckt, versehen. Die neue Wache wird schon in
vierzehn Tagen ihre Tätigkeit aufnehmen. Bekanntlich ist eine Neuregelung der
Polizeistunde beabsichtigt und es ist auch von einer Reform des Dirnenwesens gesprochen
worden, die innerhalb der Stadt Frankfurt erfolgen soll. Aber die Meldung, daß
von der Polizei die Einrichtung von Bordells »in dafür geeigneten Straßen«
befürwortet werden soll, entspricht nicht den Tatsachen.
I ch habe Ihnen gesagt, ich werde Polizeirat Franck die Angelegenheit
vortragen, wenn er aus dem Urlaub zurück ist!« sagte Kommissar Beck. »Im
übrigen glaube ich nicht, daß ich Ihnen meine Entscheidungen auseinandersetzen
muß.«
Laura
wußte selbst, daß Beck mit Franck nicht reden konnte, wenn er nicht da war,
aber sie hatte zumindest angenommen, daß er versuchte, den Dingen auf den Grund
zu gehen. Die erste Enttäuschung hatte sie erlebt, als er das Geld tatsächlich
als Fundsache deklarierte, die zweite, als er ihren Bericht über den Vorfall im
Polizeigefängnis scheinbar ungelesen in seinen Schreibtisch legte.
Lustlos
schlug sie die Mappe mit den Abschriften auf. Nur die Aussicht auf eine baldige
Nachricht aus Stuttgart ließ sie diese
langweilige
Arbeit ertragen. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie, wie Beck in einer Akte
las. Sein Gesicht verriet äußerste Konzentration. Er war ein Mann. Er konnte
beides haben: eine gute Arbeit und eine Familie. Sie war eine Frau und mußte
wählen zwischen beruflichem und persönlichem Glück.
Laura
spannte ein Blatt ein und fing an zu tippen. Es war sinnlos, sich länger der
Illusion hinzugeben, Martin habe mit all den Dingen nichts zu tun. Victoria
Biddlings Zofe hatte versucht, Annika Heusohn noch ein bißchen auszuhorchen.
Viel hatte die Kleine nicht sagen können, aber was sie sagte, ließ vermuten,
daß Fritz Wennecke irgend etwas mit dem verschwundenen Brüderchen zu tun
hatte, und das ließ Laura das Gebrabbel der alten Frau in der Kornblumengasse
plötzlich gar nicht mehr so wirr erscheinen. Das Bübchen darf in den bunten
Garten. Und schreiben und lesen wird es können und weiße Kleider tragen, und
ein kleiner König wird er sein. War Martin deshalb darauf bedacht gewesen,
schnellstens die Wohnung zu verlassen? Hatte er mit Wennecke gemeinsame Sache
gemacht, und Kommissar Biddling war ihm auf die Schliche gekommen? Es würde
vieles erklären. Auch seinen Wutanfall, bevor sie sich damals in seinem Büro
geküßt hatten. Daß er von den Vorfällen im Gewahrsam nichts geahnt hatte,
glaubte Laura jedenfalls nicht mehr. Er hatte gesagt, er habe Kommissar von
Lieben in der Hand. Jetzt wußte sie, warum.
Leider
nützte alles nichts, solange sie überall auf Schweigen stieß. Unter einem
Vorwand hatte sie Zouzou in die Centrale für private Fürsorge bestellt und sich
den Mund fusselig geredet, aber die Dirne war nicht bereit, ein einziges Wort
über Liebens Zudringlichkeit zu verlieren. Ihr Besuch in der Kornblumengasse
hatte mit einem Rauswurf geendet, und Käthe Heusohn tat die Aussage ihrer
Tochter als Spinnerei ab. Laura hoffte, daß Beck nichts von ihren
eigenmächtigen Ermittlungen erfuhr, denn damit wäre ihre Aussicht auf ein gutes
Zeugnis endgültig verwirkt. Paul Heusohn wartete ungeduldig auf die Rückkehr
von Polizeirat Franck, und Laura hatte ihn nur mit Mühe davon abbringen können,
seinen Bericht über Dr. Popps Untersuchungen vorab Kommissar Beck zu geben.
Martins Fingerabdruck auf dem Umschlag war ein starkes Indiz, aber was zählte
das bei einem Vorgesetzten wie Beck, der sich unbeirrbar auf seine
Selbstmordtheorie festgelegt hatte? Wenn Laura ehrlich war, setzte sie auch in
den Polizeirat keine allzu große Hoffnung, zu deutlich waren ihr seine
abfälligen Bemerkungen über die Daktyloskopie in Erinnerung, die er in der
Mordsache Lichtenstein gemacht hatte. Andererseits würde er über das Gutachten
von Dr. Popp nicht einfach hinwegsehen können.
»Ich
verstehe durchaus, daß Sie die Angelegenheit geregelt haben wollen«, unterbrach
Beck ihre Gedanken. »Es genügt aber nicht, Dinge zu vermuten, man muß sie
beweisen können, Fräulein Rothe. Gerüchte, einmal in die Welt gesetzt, halten
sich hartnäckig, und wenn sich zehnmal das Gegenteil als richtig erweist.«
»Warum
sagen Sie mir das?«
»Herrgott
noch mal! Haben Sie die Abschriften endlich fertig?«
Paul
Heusohn hatte bereits Kaffee gekocht, als Martin Heynel zum Dienst kam.
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