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Hahn, Nikola

Hahn, Nikola

Titel: Hahn, Nikola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Farbe von Kristall
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natürlich als erstes, wer etwas
gegen Fritz hatte.«
    »Aber
es gibt viele Menschen, die ihn nicht gemocht haben! Warum fragen Sie nicht
Martin Heynes Schwester?«
    Heiner
sah sie überrascht an. »Was hatte Lotte mit Wennecke zu tun?«
    »Sie
hat eine Andeutung gemacht, daß er ihr gegenüber ausfällig geworden ist, und
daß ihr Bruder zufällig dazu kam und ihn hinauswarf. Ich glaube, das war sogar
an dem gleichen Abend, als er versuchte, Annika ... Hat Martin nichts davon gesagt?«
    Heiner
rang mit sich, aber er sah keine andere Möglichkeit, sie zum Reden zu bringen.
»Was, glaubst du, geht in einem Jungen wie Paul vor, wenn er mitansehen muß,
daß sich so ein mieser Kerl an seiner kleinen Schwester vergreift? Jeder Staatsanwalt
und jeder Richter wird annehmen
    Ihre
Hände verkrampften sich im Bettuch. »Nein. Paul hat das nicht getan!«
    »Sag
mir die Wahrheit, und ich werde sehen, was ich tun kann.«
    Ihre
Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Kurz nach Eckhards Tod hat Annika ein
Gespräch zwischen Fritz und mir belauscht. Ich weiß nicht, ob er oder mein
Mann die Idee hatte. Wahrscheinlich haben sie es zusammen ausgebrütet. Es ist
drei Jahre her. Ich war schwanger, Eckhard wollte das Kind nicht.
    Zwei
Wochen vor der Niederkunft brachte er mich nach Offenbach in ein gelbes,
großes Haus. Ich erhielt Papiere auf irgendeinen adligen Namen, den ich
vergessen habe. Sofort nach der Geburt wurde mir der Junge weggenommen. Ein
Arzt bescheinigte eine Totgeburt.«
    »Was
hast du dafür bekommen?«
    Sie
zuckte weinend die Schultern. »Das hat alles Fritz geregelt. Wie ich mich
dafür verachte! Aber Eckhard hat gedroht, daß er das Kind umbringt, und mich
dazu, wenn ich nicht mitmache. Wir hatten kein Geld. Helmut und Annika waren
noch so klein.« Sie schlug die Hände vors Gesicht. »Ich habe meinen Sohn
verraten. Und die Krankheit ist die Strafe.«
    Heiner
strich ihr beruhigend über den Arm. »Es war sicher nicht richtig, was du getan
hast. Aber wenn so ein Umstand gemacht wurde, kannst du davon ausgehen, daß
dein Junge es gut getroffen hat. Die Frau, unter deren Namen du ihn zur Welt
gebracht hast, war offenbar nicht in der Lage, eigene Kinder zu bekommen.
Wahrscheinlich war sie in einer ähnlichen Notlage wie du.«
    »Das
sagen Sie nur, um mich zu beruhigen.«
    »Wenn
es nicht so wäre, hätte man deinem Mann ein paar Mark in die Hand gedrückt und
das Kind ohne viel Aufhebens hier abgeholt.« Er sah, wie gut ihr diese
Nachricht tat. »Weißt du den Namen des Arztes noch? Oder die Straße?«
    Sie schüttelte
den Kopf.
    »Sagt
dir der Name Romano Comoretto etwas?«
    »Nein.«
    »Wer,
außer Fritz und deinem Mann, wußte noch von der Sache?«
    »Ich
glaube, Martin.«
    Heiner
sah sie fassungslos an. »Inwiefern?«
    Sie
zuckte die Schultern. »Es mag einige Wochen später gewesen sein. Ich traf ihn
im Hof. Er sagte, daß mir mein hübsches Gesicht beim nächsten Mal nichts
nützen werde. Für meine Hurenbälger rühre er keinen Finger mehr.«
    »Hat er
gesagt, was er damit meint?«
    »Er
sagte, daß ich mich bei Fritz für die bevorzugte Behandlung bedanken soll.
Vielleicht wollte er mich auch nur demütigen.«
    »Warum
sollte er das tun?«
    Sie sah
auf die Bettdecke. »Als Martin noch im Citronengäßchen wohnte, kam er oft
herüber... Nun, man merkt es als Frau, was die Absichten sind, auch wenn er
damals ein Junge war, jünger als Paul heute.« Sie lächelte traurig. »Für ihn
war ich die Heilige Jungfrau Maria. Und dann bekam ich ein Kind, ohne
verheiratet zu sein. Es war ein Schock für ihn. Und Pauls Vater...« Sie brach
ab.
    »Erzähl
mir von ihm«, bat Heiner leise.
    »Ich
war jung und träumte von einem kleinen, bescheidenen Glück. Dabei hätte mich
schon der Ort, an dem ich ihn kennenlernte, warnen sollen.«
    »Und wo
war dieser Ort?«
    »Ich
wurde festgenommen, weil ich mich zu lange auf der Straße aufgehalten hatte.
Sie wissen, wie schnell das passieren kann, wenn man als Frau alleine unterwegs
ist. Ich werde die Nacht in dieser schrecklichen Zelle niemals vergessen und
nicht die Demütigung am nächsten Morgen, als ich gezwungen wurde, mich in
Anwesenheit von zwei possenreißenden Schutzmännern zu entblößen. Dann kam er.
Er war höflich, korrekt, gab mir eine Decke, damit ich nicht fror. Ich war so
dankbar, daß er mich nicht behandelte wie diese ... Huren.« Tränen rannen ihr
übers Gesicht. »Wir trafen uns regelmäßig, aber nicht hier im Gäßchen. Er
fürchtete das Geschwätz der Leute.

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