Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hahn, Nikola

Hahn, Nikola

Titel: Hahn, Nikola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Farbe von Kristall
Vom Netzwerk:
und Frau Braun.«
    »Den
Heiner hawwe se grad vorhin weggebracht.«
    »Wie?
Weggebracht?« fragte Victoria.
    »Ei,
mit so'm Wage ohne Gaul. Ein Automobil halt, gell? Des ganze Gäßche hat des
Ding verstoppt! Un die zwei Kerle hawwe gegrinst un gefracht, ob der Heiner
mitkomme will.«
    »Was
denn für Kerle?«
    Die
Frau zuckte die Schultern. »Die hatte schwarze Maske an un hawwe auch sonst
ulkisch ausgesehe. Un dann hawwe se an dem Ding rumgekurwelt, un plötzlich hats
gequalmt und mords Spektakel gemacht. Un dann sin se fortgefahrn.«
    »Wohin
sind sie gefahren?«
    »Des
waaß ich doch net!«
    »Und wo
ist Helena?«
    »Des
waaß ich aach net.«
    »Wie hat
das Automobil ausgesehen?«
    Sie
zuckte die Schultern. »Rot halt. Un gestunke hat's wie die Pest!«
    Victoria
bedankte sich und ließ sich zum Polizeipräsidium fahren. Weder Kommissar Beck
noch Laura Rothe oder Paul Heusohn waren da. Beim Gedanken an das Automobil
wurde ihr kalt. Rot halt. Wie der Wagen, mit dem Richard abgeholt worden
war. Wie Hopfs Wagen! Konnte das ein Zufall sein? Heiner Braun hatte gesagt,
daß er zu ihr kommen wollte! Vielleicht wartete er ja schon auf sie?
    »Im
Salon sitzt Frau Braun«, sagte Tessa, als sie zurückkam. Sie senkte ihre
Stimme, obwohl niemand außer Victoria da war, der sie hätte hören können. »Sie
sagt immerzu, daß sie einkaufen muß und weigert sich, Hut und Mantel abzulegen.
Kann es sein, daß sie ein bißchen, nun ja, plemplem ist?« Victoria ließ sie
wortlos stehen und ging in den Salon. Helena saß auf dem Sofa und betrachtete
das Blumenbouquet, das auf dem Tisch stand.
    »Sie
wollten mich sprechen?« fragte Victoria lächelnd.
    Helena
stand auf. »Ich habe wenig Zeit. Ich muß Mehl und Zucker besorgen.«
    »Wo ist
denn Ihr Mann?«
    »Ja,
ja. Ich soll Ihnen Grüße von meinem Mann ausrichten.«
    Victoria
faßte sie am Arm. »Helena! Hat Heiner Sie geschickt?«
    »Heiner
ist ausgefahren.«
    »Wohin
ist er...«
    »Er sagt,
ich soll Sie schnell besuchen. Und mich nicht aufregen. Untermainkai 18. Das
sagt er. Und daß es ganz wichtig ist.«
    »Was
ist wichtig?«
    »Nachher
backe ich Zitronenwaffeln. Die mag er besonders gern.«
    »Bitte,
Helena! Versuchen Sie, sich zu erinnern! Hat Ihr Mann etwas gesagt?«
    »Gesagt?
Nein.« Sie kramte in ihrem Mantel und hielt Victoria lächelnd einen Zettel hin.
»Ich habe es nicht vergessen.«
    Es
waren wenige, offensichtlich in großer Hast niedergeschriebene Sätze, und Victoria
jagte es einen Schauer über den Rücken, als sie sie las. Sie schellte nach
Tessa. »Sagen Sie dem Kutscher, er soll sofort vorfahren! Und kümmern Sie sich
bitte um Frau Braun.«
    Victoria
hielt sich erst gar nicht mit Förmlichkeiten auf. »Wo ist Cornelia?« fragte sie
das Mädchen, das die Tür von Gräfin Tennitz' Villa öffnete. »Ich muß sie sofort
sprechen. Es ist wichtig!«
    »Es tut
mir leid. Die gnädige Frau ist ausgeritten.«
    »Wann?
Wohin?«
    »Gleich
nach dem Essen. Wie jeden Tag. Wohin, hat sie nicht gesagt. Soll ich Frau
Gräfin etwas ausrichten, wenn sie zurückkommt?«
    »Nein!«
Victoria ließ das verdutzte Mädchen stehen und lief zurück zu ihrem Wagen. »Zur Laterna Magica!«
    Der
Kutscher starrte sie an. »Sie meinen ...?«
    »Das
Bordell in der Elbestraße, richtig. Beeilen Sie sich!«
    Der
Mann am Eingang kam nicht dazu, ein zweites Mal Nein zu sagen. Victoria stemmte
die Arme in die Hüften. »Wenn Sie
    mich
nicht augenblicklich hineinlassen, schreie ich die ganze Stadt zusammen und
sorge dafür, daß Signora Runa Sie bei lebendigem Leib vierteilen läßt!«
    Keine
Minute später wurde sie zu Zilly geführt. Sie hatte einen mit Straßsteinen
besetzten Morgenmantel an und rauchte. Ihre Augen glänzten, als habe sie
geweint. Auf dem Tisch lagen Photographien neben einer fast leeren
Cognacflasche. »Einer Dame wie Ihnen hätte ich bessere Manieren zugerechnet,
Frau Biddling«, sagte sie mit verwaschener Stimme.
    »Es
geht nicht um Etikette!« erwiderte Victoria wütend. »Wo ist Herr Braun?«
    »Woher
soll ich das wissen?«
    »Er war
hier! Was wollte er?«
    »Dumme
Fragen stellen. Was sonst.«
    »Welche
Fragen? Wann ist er gegangen? Wohin?«
    Zilly
verzog das Gesicht. »Könnten Sie mir verraten, was das Spielchen soll?« Victoria
warf ihr Heiners Notiz und den anonymen Brief hin. Zilly las und wurde blaß.
    »Wo ist
er?« wiederholte Victoria.
    Weinend
schlug sie die Hände vors Gesicht. »Ich habe es für meinen Sohn getan.«
    »Sie
kommen nicht aus Frankfurt, stimmt's?«

Weitere Kostenlose Bücher