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Hahn, Nikola

Hahn, Nikola

Titel: Hahn, Nikola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Farbe von Kristall
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Sobald es geht, bringe ich
dich von hier weg.«
    »Vicki...«,
murmelte er.
    Sie
ließ ihn los und sah Vicki an. »Wenn er stirbt, wirst du dafür bezahlen.« Der
Schleier verbarg ihr Gesicht, aber ihre Stimme verriet, wie aufgebracht sie
war. Sie ging zur Tür. »Morgen früh komme ich wieder.«
    »Was
fällt ihr ein, sich so aufzuführen!« schimpfte Victoria.
    »Sie
hat ja recht, Mutter«, sagte Vicki leise.
    Gegen
Morgen war das Fieber so hoch, daß Victoria den Arzt holen ließ.
    »Ich
kann nichts mehr tun«, sagte er, nachdem er Andreas noch einmal untersucht
hatte.
    »Soll
das heißen...?«Vicki preßte die Hand vor den Mund.
    Der Arzt
sah Victoria an. »Wenn seine Temperatur nicht bald fällt, müssen Sie mit dem
Schlimmsten rechnen, gnädige Frau.«
    Vicki
war unfähig, etwas zu sagen. Der Gedanke, daß ein paar Worte der Entschuldigung
hätten alles verhindern können, brannte in ihr wie Feuer. »Du solltest
versuchen, ein bißchen zu schlafen«, sagte Victoria.
    Sie
hörte die Worte, aber ihre Bedeutung drang nicht zu ihr durch.
    »Bitte,
Vicki. Es nützt Andreas nichts, wenn du auch noch krank wirst.«
    »Ja,
Mutter.« Sie ging hinaus, über den Flur in ihr Zimmer, setzte sich aufs Bett,
nahm das Kästchen, schaute den Ring an. Und die Photographie ihres Vaters.
Nichts nützte mehr. Sie ging zum Fenster. Es hatte aufgehört zu regnen. Am
Himmel zeigte sich ein heller Streifen. Sie öffnete das Fenster. Es war kalt.
Es roch nach Herbst. Sie wünschte sich, tot zu sein.
    Heiner
Braun betrat den Friedhof und hatte das Gefühl, daß etwas anders war als sonst.
Ein Geräusch störte die morgendliche Stille. Als ob jemand weinte. An
Kommissar Biddlings Grab kniete eine Frau.
    »Vicki!
Was tun Sie denn hier?« Er half ihr aufzustehen.
    »Ich
wollte, ich dachte...«Sie zitterte am ganzen Leib. Heiner zog seinen Mantel aus
und legte ihn ihr über die Schultern.
    »Alles
habe ich falsch gemacht! Die letzten Worte, die Vater von mir hörte, waren
gemein und häßlich, und die Worte, die ich Andreas gesagt habe, waren noch viel
gemeiner und häßlicher! Weil ich mich an ihm rächen wollte. Ich konnte es
nicht ertragen, daß er glücklich ist, weil ich es auch nicht war.« Ihre Stimme
wurde zum Flüstern. »Wenn er wenigstens wütend geworden wäre. Aber er hat
geweint, Herr Braun. Und jetzt sagt der Arzt, daß er vielleicht stirbt.«
    »Solange
er lebt, gibt es Hoffnung, Vicki.«
    »Sie
haben ihn gekannt, nicht wahr? Ich meine, früher.«
    Heiner
lächelte. »Als er siebzehn war, haben Ihr Vater und ich ihn ins Gefängnis
gesteckt. «
    »Warum?«
    »Das
ist eine längere Geschichte.«
    »Mutter
sagt, es gibt etwas Trauriges in seinem Leben.«
    »Er hat
ein Mädchen geliebt, und als er nicht wiedergeliebt wurde, hat er etwas sehr
Unvernünftiges getan.«
    Sie zog
den Mantel enger um ihre Schultern. »Hat das mit diesem Ring zu tun?«
    »Was
denn für ein Ring?«
    »Er hat
ihn mir vorgestern abend geschenkt. Ein goldener Fingerring mit einem leuchtend
roten Topas darin. Und als Mutter ihn sah...«
    »Der
Feuerstein«, sagte Heiner.
    »Bitte,
erzählen Sie's mir.«
    »Sie
werden sich erkälten.«
    Sie
lächelte zaghaft. »Wir könnten ein wenig laufen.«
    Vicki
schwieg, als Heiner geendet hatte. Kies knirschte unter ihren Füßen. Irgendwo
wieherte ein Pferd. »Mein Vater kam ohne meine Mutter nach Frankfurt?« fragte
sie leise.
    »Ja«,
sagte Heiner. »Aber er war ein viel zu anständiger Mensch, als daß er sie
jemals im Stich gelassen hätte. Und Victoria war zu aufrichtig, als daß sie
ernstlich gehofft hätte, er könnte es tun. Bevor Sie geboren wurden, ging Ihr
Vater nach Berlin zurück. Wenn Ihre Mutter nicht gestorben wäre, hätten sie
sich nie wiedergesehen.«
    »Er hat
mir ihren Namen gegeben!«
    »Ihr
Vater hat Victoria kurz nach Ihrer Geburt einen Brief geschrieben. Fragen Sie
sie danach. Vielleicht verstehen Sie es dann.«
    »Warum
hat er meine Mutter allein gelassen?«
    »Er
wollte eine alte Rechnung begleichen, und wenn Victoria nicht gewesen wäre,
hätte er es nicht überlebt.«
    Sie
verließen den Friedhof. Eine Droschke fuhr vorbei. Heiner winkte, und sie
hielt.
    »Mir
ist überhaupt nicht mehr kalt«, sagte Vicki.
    »Mir
aber, gnädige Frau«, erwiderte er lächelnd. »Sie haben nämlich zufällig meinen
Mantel an.«
    »Oh.
Entschuldigung.«
    Er
wehrte ab, als sie ihn ausziehen wollte. »Untermainkai 18«,   sagte er zu dem Kutscher und half Vicki beim
Einsteigen.
    Sie
hätte gern erfahren, was

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