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Hahn, Nikola

Hahn, Nikola

Titel: Hahn, Nikola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Farbe von Kristall
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es
eigentlich immer! Aber ich war lange Zeit nicht in der Lage, es wirklich zu
begreifen: Biddling hatte mich für sein mieses Spiel benutzt.«
    Heiner
schüttelte den Kopf.
    »O
doch! Die behütete Cornelia Hortacker, ein junges, unbedarftes Ding, das vom
Leben keine Ahnung hatte! Mein Gott, ich war ja noch dümmer als Andreas! Aber
im Gegensatz zu meinem Bruder habe ich damit aufgehört, auf der Verliererseite
zu stehen. Wochenlang war ich damals krank vor Sehnsucht und Trauer, mußte
mitanhören, was man Eduard anhängte, welches Monstrum man aus ihm machte, nur
um den ermittelnden Kriminalbeamten Biddling in ein gutes Licht zu setzen.
Dabei war ich der einzige Mensch, der ihn wirklich kannte. Der einzige, der ihn
wahrhaftig liebte. Und er liebte mich. Aber ich will Sie nicht mit
sentimentalen Ergüssen langweilen. Mein Vater war der Ansicht, ich sollte auf
andere Gedanken kommen und schickte mich auf eine Töchterschule nach Hamburg.
Zwei Jahre später lernte ich Graf von Tennitz kennen. Sicher, er hätte mein
Vater sein können; vermutlich war es genau das, wonach ich suchte. Es war keine
Leidenschaft wie bei Eduard, aber doch ein großes Gefühl. Wir heirateten bald,
und ich glaubte, ich sei eine glückliche Frau. Woher sollte ich auch wissen,
daß sein angeblicher Reichtum und sein formvollendetes Auftreten bloß Fassade
waren? Schon vor unserer Hochzeit hatte er halbseidene Geschäfte gemacht, doch
erst mit meinem Geld liefen sie richtig gut. Man braucht eben das rechte
Kapital, um sich die Gunst gewisser Leute zu sichern.«
    Sie
lachte höhnisch. »Ich war ja so ahnungslos! Wir zogen von Hamburg nach
Stuttgart. Ich wurde schwanger, verlor das Kind, fühlte mich krank und einsam.
Zur Aufmunterung brachte mein Mann Zilly mit. Die Geschichte kennen Sie, ich
fasse mich also kurz: Als ich endlich herausfand, wer in unserem Haus die
Königin war und wer die Magd, wollte ich nur noch sterben. Meinen Mann
interessierte es nicht. Und ich beschloß, ihm zu geben, was er brauchte.
    Ich
wußte, daß Zilly noch in Stuttgart war, und ich zwang sie, mich ihre Kunst zu
lehren. Es dauerte nicht lange, und ich brachte es zu wahrer Meisterschaft!
Heute weiß ich, daß es immer in mir war, schon in der Liebe zu Eduard, die ich
dann erst richtig verstand. Mein Mann war zum ersten Mal in unserer Ehe
zufrieden mit mir! Als er krank wurde, verlangte ich von ihm,
    mich in
seine Geschäfte einzuweisen. Und ich wurde auch darin eine Meisterin. Ich würde
lügen, wenn ich behauptete, es hätte mir nicht gefallen, dieses hochsensible,
komplizierte Gebilde aus Abhängigkeiten, kleinen Erpressungen und diskreten
Gunstbeweisen immer weiter zu vervollkommnen, das uns Einfluß bis in höchste
Kreise bescherte. Was lag also näher, es auch in Frankfurt zu tun? Glauben Sie
mir: Es gibt nichts Amüsanteres als die Photographie eines Politikers in
Unterhosen. Und keinen besseren Platz auf der Welt, die Wahrheit über all die
Großen und Mächtigen zu erfahren, als ein Bordell.
    Da es
einer Dame meines Standes leider nicht möglich ist, ein solches Etablissement
offen zu führen, kaufte ich die Laterna unter einem Decknamen und setzte
Zilly als Verwalterin ein. Sicher war es leichtsinnig, aber aufs Vergnügen
wollte ich nicht ganz verzichten - so erblickte Signora Runa das Licht der
Welt. Ihre Patin war Signora Lucrezia, eine überaus interessante literarische
Figur. Aber das wird Sie wohl kaum interessieren, was? Ich mußte meiner
Stellung Tribut zollen und überließ Zilly die praktische Ausführung. Da die
Gute leider nicht ganz standfest ist, habe ich eine kleine Lüge meines Mannes
aufrechterhalten und jedes Jahr eine Photographie besorgt. Ihre diesbezügliche
Vermutung war also richtig. Nun, Zilly gab den Herren, was sie wünschten, und
ich verlegte mich notgedrungen aufs heimliche Zuschauen. Die Gefahr einer Entdeckung
wäre einfach zu groß gewesen.«
    Sie
lachte. »Unter den Herrschaften sprach es sich nämlich rasch herum, daß Gräfin
von Tennitz eine verständnisvolle Frau war und ohne Fragen zu stellen, diskrete
finanzielle und sonstige Hilfe in peinlichen Lebenslagen gewährte. Selbstverständlich
zeigten sich die solcherart von mir Erretteten fortan äußerst entgegenkommend,
und so wusch eine Hand die andere. Ob die Herren allerdings genauso dankbar
gewesen wären, wenn sie gewußt hätten, daß sie die Seife für ihre weißen
Westen aus ihrer eigenen Schatulle bezahlten?«
    Sie
steckte den Revolver weg und spielte mit dem Seil an

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