Hahn, Nikola
Eichenholzschreibtisch, hinter dem ein dicker
Mann mit Halbglatze und Doppelkinn saß. Dann fiel ihr Blick auf die beiden
Beamten neben der Tür. Es waren die gleichen, die sie gestern auf dem Weg zum
Präsidium in das Haus an der Katharinenkirche hatte gehen sehen.
Franck
stand auf und gab ihr die Hand. »Willkommen in Frankfurt, Schwester Rothe.«
»Wenn
Sie erlauben, Herr Polizeirat: Die Anrede Fräulein wäre mir lieber.«
»So«,
sagte er. »Wäre sie das.«
Laura
hätte sich am liebsten geohrfeigt. Da dachte sie sich wohlfeile Antworten auf
alle möglichen Fragen aus und trat schon bei der Begrüßung in den ersten
Fettnapf. »Ich freue mich sehr, daß ich hier sein darf«, sagte sie.
»Bevor
ich Sie in Ihr zukünftiges Arbeitsfeld einweise, will ich Ihnen zwei
Mitarbeiter der Kriminalabteilung vorstellen.« Franck sah den jüngeren Beamten
an, der nicht ganz so grobschlächtig wirkte, wie Laura ihn in Erinnerung hatte.
»Kommissar Beck.«
Beck
gab ihr die Hand. Sein Gesicht zeigte einen Ausdruck, den sie nur zu gut
kannte: Eine Mischung aus Gleichgültigkeit und Arroganz.
Francks
Blick wanderte zu dem zweiten Mann. »Und Kommissar Biddling. Er leitet die
Ermittlungen in der Mordsache Lichtenstein, von der Sie sicherlich gehört
haben.«
»Ja.«
Laura bemühte sich, Biddling nicht allzu neugierig zu mustern. Das war also
der Mann, der in ihrem Zimmer gewohnt und die Frau geheiratet hatte, deren
Kaffeetassen Wachtmeister Braun so sorgsam hütete. Er war groß und schlank und
sein Haar fast vollständig ergraut. Er mußte um einiges jünger sein als Braun,
aber Laura fiel es schwer, sein Alter zu schätzen. Sein Händedruck war fest.
»Wie ich erfahren habe, kommen Sie aus Berlin, Fräulein Rothe.«
»Ja.
Warum?«
»Das
ist auch meine Heimat. Aber ich war lange nicht mehr dort.«
»Nun, dann
werde ich Ihnen bestimmt Interessantes zu berichten haben.«
»Sie
sollten sich zunächst einmal mit Berichten über Ihren neuen Dienstort
begnügen«, bemerkte Franck.
»Ja,
sicher, Herr Polizeirat. Ich meinte nur
»Sie
können jetzt gehen, meine Herren.« Biddling und Beck verließen das Büro. Franck
forderte Laura auf, Platz zu nehmen. Er setzte sich ebenfalls. »Ich bin mir
durchaus im klaren darüber, daß Ihnen gewisse Regeln im Umgang zwischen den
Personen unterschiedlicher Dienstränge innerhalb eines Behördenapparates nicht
geläufig sind, aber um Irritationen auf beiden Seiten zu vermeiden, erwarte
ich, daß Sie sich die entsprechenden Kenntnisse baldmöglichst aneignen.«
»Ja.«
»Ich
möchte des weiteren nicht verhehlen, daß ich kein Befürworter einer weiblichen
Polizei bin. Nicht etwa, weil ich Frauen geringschätze, im Gegenteil: Ich bin
der Meinung, daß die schmutzigen Dinge, mit denen wir uns von Berufs wegen
täglich befassen müssen, der weiblichen Natur ganz und gar zuwiderlaufen.«
Laura
hätte ihn gerne gefragt, ob er schon einmal die Zustände in einem städtischen
Krankenhaus oder in einer Fürsorgeanstalt studiert habe, in denen Frauen ohne
jedes männliche Bedenken seit Jahr und Tag in Schmutz und Elend arbeiteten.
»Es ist
beabsichtigt, Sie zunächst auf zehn Monate befristet als
Polizeiassistentin
anzustellen«, fuhr Franck fort. »Das bedeutet, daß Sie sich zur unbedingten
Treue und Loyalität gegenüber Ihrem Dienstherren verpflichten, das
Amtsgeheimnis wahren und sich inner- wie außerhalb Ihres Dienstes stets
vorbildlich verhalten. Nebenbeschäftigungen jeder Art sind untersagt, es sei
denn, ich habe sie vorab schriftlich gestattet. Sollten Sie sich bewähren,
kann Ihr Dienstvertrag verlängert werden. Sie werden als Assistentin in der
Sittenpolizei verwendet, und zu Ihren Aufgaben wird es gehören, in der
Kinderfürsorge unterstützend tätig zu sein, bei polizeiärztlichen
Untersuchungen zu assistieren und für verwahrloste und der Verwahrlosung
entgegensehende Frauenspersonen Schritte einzuleiten. Sozusagen mit dem Ziel,
der Frau durch die Frau zu helfen. Des weiteren werden Sie bei der Einlieferung
und Vorführung weiblicher Gefangener durch die Schutzmannschaft sowie bei
Verhören darüber wachen, daß Sitte und Anstand nicht verletzt werden. Ihr Vorgesetzter
wird Kriminalkommissar von Lieben sein, in seiner Abwesenheit Kriminaloberwachtmeister
Heynel.«
»Werde
ich auch auf dem Gebiet der kriminalistischen Polizeitätigkeit eingesetzt?«
fragte Laura.
Franck
sah sie an, als habe sie ihn um die Erlaubnis gebeten, sein Büro in die Luft
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