Hahn, Nikola
zu
sprengen.
»Verzeihen
Sie, Herr Polizeirat. Ich dachte, jetzt, wo dieser schreckliche Mordfall
»Der
Mordfall braucht Sie nicht zu kümmern, Fräulein Rothe.« Er rieb sich
nachdenklich sein Kinn. »Vielleicht wäre es in Anbetracht der Ereignisse
möglich, daß Sie, statt wie vorgesehen am ersten März, schon heute Ihren Dienst
antreten?«
Laura
schluckte ihre Enttäuschung hinunter. »Selbstverständlich, Herr Polizeirat.«
»Gut.
Dann wäre als letztes die Frage der Dienstkleidung zu klären. Es wird Ihnen
freigestellt, entweder Ihre Schwesterntracht zu tragen oder auf eigene Kosten
eine angemessene und zweckmäßige Ausstattung anfertigen zu lassen.«
»Was
darf ich bitte unter einer angemessenen und zweckmäßigen Ausstattung verstehen?«
»Sicherlich
nichts in der Art, das Sie gerade tragen, Fräulein Rothe«, sagte Franck kühl.
»Sie sollten sich bewußt sein, daß Sie als erste und einzige Frau im
Polizeidienst der Stadt Frankfurt unter ständiger Beobachtung sowohl der Beamten
als auch des Publikums stehen. Davon abgesehen, wird unbedingt Wert darauf
gelegt, daß Sie jederzeit in Ihrer Eigenschaft als Bedienstete erkennbar sind
und
»Aber
doch nicht als Krankenschwester!« «... und alles vermeiden, was Außenstehende
zu dem Schluß verleiten könnte, daß Sie in Ihrem Amt nicht die angemessene
Sittsamkeit und Moral an den Tag legen. Mein Bürogehilfe wird Sie jetzt zu
Herrn Kriminalkommissar von Lieben führen. Alles weitere besprechen Sie bitte
mit ihm.«
Mit
gesenktem Kopf folgte Laura dem Polizeidiener aus dem Büro. Hatte sie ernsthaft
geglaubt, mit einem Berufswechsel der Engstirnigkeit und Verbohrtheit zu
entkommen, die in »Frauen
bestenfalls hübschen Zierrat oder eine passende Partie zum Heiraten sah? Einen
verantwortungsvollen Posten hatte man ihr angeboten - und sie durfte nicht
einmal über ihre Kleidung bestimmen!
Kommissar
von Liebens Büro lag am anderen Ende des Flurs. Der Polizeidiener nickte Laura
aufmunternd zu und ging. Sie
klopfte, und als keine Antwort kam, drückte sie die Klinke. Das Büro war kaum halb so groß wie das
Amtszimmer von Polizeirat Franck und mit Aktenschränken, Regalen und zwei Schreibtischen vollgestellt. An einem saß
ein etwa fünfzigjähriger Mann mit wäßrigen Augen. Über seine Wangen zog sich
ein Geflecht blau violetter Äderchen.
Laura hatte in ihrem Leben schon zu
viele Trinker gesehen, um nicht zu wissen, daß sie einen vor sich hatte.
»Was fällt Ihnen ein, ohne Voranmeldung
hereinzuplatzen!« herrschte er sie an.
»Ich
habe geklopft, Herr Kommissar.«
»Ach?
Und mit wem habe ich die Ehre?«
»Mein
Name ist...«
Ein
Mann kam herein. Er war groß und
stattlich, hatte
schwarzes
Haar und mochte Anfang dreißig sein. »Lassen Sie mich raten«, sagte er mit einem
breiten Lächeln. »Laura Rothe, Polizeiassistentin aus Berlin?«
Laura
nickte. Er gab ihr die Hand. »Martin Heynel, Kriminaloberwachtmeister des
Königlichen Polizeipräsidiums zu Frankfurt am Main.«
Laura
wußte nicht, ob sie ihn sympathisch oder unsympathisch finden sollte. Seine
Stimme klang jedenfalls angenehm.
»Wie
viele haben wir heute morgen?« fragte Kommissar von Lieben.
»Vier«,
sagte Heynel. »Alles gute Bekannte.« Als er Lauras fragenden Blick sah,
grinste er. »Wenn Sie schon da sind, kommen Sie am besten gleich mit.«
»Und
wohin, bitte?« fragte Laura, die es ärgerte, daß er einfach über sie verfügte.
»Hat
Ihnen unser werter Herr Polizeirat denn nicht erzählt, welche
verantwortungsvolle Aufgabe Sie allmorgendlich erwartet?«
»Er
wies mich darauf hin, daß Herr Kommissar von Lieben mein Vorgesetzter ist und
daß ich mich mit Fragen an ihn zu wenden habe.«
Martin
Heynel lachte. »Das Beantworten von Fragen wurde an mich delegiert. Stimmt's,
Chef?«
Kommissar
von Lieben nickte. »Sehen Sie zu, daß Sie die Sache ohne viel Aufhebens über
die Bühne bringen.«
»Ihr
Wunsch ist mir wie immer Befehl. Ich werde Zouzou die allerbesten Grüße
ausrichten.«
»Verdammt
noch mal!« rief von Lieben. »Scheren Sie sich endlich raus! Ich habe zu
arbeiten!«
»Jawoll,
Herr Kommissar!« Er sah Laura an. »Wenn Sie mir bitte folgen würden,
Polizeiassistentin?«
Es war
das erste Mal, daß sie jemand mit ihrer neuen Berufsbezeichnung ansprach, und
es machte sie stolz. Es ist keine Schande, eine Schlacht zu verlieren, wenn
nur der Krieg gewonnen wird! Wenn ihr Vater geahnt hätte, welche Auswirkungen
seine Barrasweisheiten auf seine
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