Hahn, Nikola
Tochter haben würden,
hätte
er sicher geschwiegen. Sie gingen über den Flur zur Treppe.
»Denken
Sie an Weihnachten?« fragte Martin Heynel.
Laura
sah ihn irritiert an. Er grinste. »Nur so eine Redensart. Wenn meine Schwester
oder ich früher traurig waren, sagte mein Vater: Denkt an Weihnachten, Kinder!
Da gab's nämlich Fleischeinlage in der Suppe und neue Strümpfe.«
Laura
lachte. »Ihr Vater ist ein kluger Mann.«
»Er war
dumm genug, die falsche Frau zu heiraten.«
Seine
Worte klangen unversöhnlich und standen in so offenkundigem Gegensatz zu
seinem bisherigen Verhalten, daß Laura sich fragte, weshalb er einer Fremden so
etwas offenbarte.
Als fürchte
er ihre Reaktion, ging er voraus. Über einen Innenhof gelangten sie auf die
Straße und von dort durch einen Torbogen zu einem zweistöckigen Backsteinbau.
»Das
Polizeigefängnis der Stadt Frankfurt«, erklärte Heynel. »Die Männerabteilung
bietet einhundertachtunddreißig, die Frauenabteilung einhundertzwei Plätze.
Sollte das nicht ausreichen, gibt's im Keller Zellen für fünfundzwanzig
weitere Mann. Außerdem haben wir hübsche Krankenzimmer, Baderäume sowie eine
Bedürfnisanstalt für unsere Übernachtungsgäste. Und für besonders hartnäckige
Fälle ein paar
Tob-
und Strafzellen. Im Erdgeschoß finden Sie die Wache, Militärbüros, das Ärztezimmer
und die Asservatenkammer.«
Er
begrüßte den Wachbeamten, einen ungeschlachten Kerl mit fettig glänzender
Stirn. »Guten Morgen, Kröpplin! Ich hoffe, die Damen sind geschminkt und
frisiert?«
»Sie
erwarten dich schon sehnsüchtig, Heynel! Wen hast du denn da Schönes
mitgebracht?«
»Polizeiassistentin
Rothe wird von heute an darüber wachen, daß wir uns gegenüber unseren weiblichen
Gästen anständig benehmen.«
»Aber
das tun wir doch, oder?« sagte Kröpplin mit einem Grinsen, das so schmierig war
wie sein Gesicht.
»Dann
haben Sie ja nichts zu befürchten«, bemerkte Laura,
der das
kumpelhafte Verhalten von Martin Heynel ebenso mißfiel wie die anzüglichen
Blicke dieses Kröpplin.
»Die
mir von Polizeirat Franck verordneten Regeln im Umgang zwischen Personen
unterschiedlicher Dienstränge werden offenbar nicht überall gleichermaßen
praktiziert«, kommentierte sie bissig, als sie die Wache verließen.
Martin
Heynel lachte. »Nicht die Regeln sind das Wichtigste, sondern das Erkennen des
richtigen Zeitpunkts ihrer Anwendung. Was Wachtmeister Kröpplin angeht, so mag
er zwar ein bißchen ungehobelt sein, aber wenn es darauf ankommt, kann ich mich
auf ihn verlassen.«
Sie
überquerten einen zweigeteilten Innenhof, an den sich ein kleineres Gebäude
anschloß. Martin Heynel machte eine ausholende Handbewegung, »Das ist der
sogenannte Weiberhof. In dem Haus werden jeden Morgen die über Nacht eingelieferten
Huren amtsärztlich untersucht. Sie werden dem Arzt assistieren. Als
ausgebildeter Krankenschwester dürfte Ihnen diese Aufgabe nicht fremd sein.«
Offenbar
hatte er sich gründlich über sie informiert. Schweigend folgte Laura ihm in das
Untersuchungszimmer, einen weißgestrichenen Raum mit nichts als einem Stuhl, einem
Tisch und einer Liege darin. Die Vorhänge vor den Fenstern waren zugezogen,
die elektrische Beleuchtung wirkte unnatürlich hell.
»Bringen
Sie die erste rein«, befahl Heynel einem Schutzmann, der kurz darauf mit einer
jungen, stark geschminkten Frau zurückkam. Sie trug ein rosafarbenes Kleid mit
appliziertem Glitter und tiefem Dekollete. Ihr rotes Haar war mit künstlichen
Haarteilen und Bändern zu einer ausladenden Frisur gesteckt, die sich nach der
Nacht im Polizeigewahrsam genauso aufzulösen begann wie ihre Schminke.
»Guten
Morgen, Zouzou«, sagte Martin Heynel, »Viele Grüße vom Chef.«
»Er
soll sich verdammt noch mal zum Teufel scheren!« Ihr Blick fiel auf Laura. »Was
will die hier?«
»Ich
werde bei der Untersuchung darüber wachen, daß Sitte und Anstand gewahrt
bleiben«, erklärte Laura.
Zouzou
brach in Gelächter aus. »Sitte und Anstand? Willst du mich verscheißern, Schätzchen?
Sitte und Anstand! Hahaha!«
Martin
Heynel feixte. »Tja, es brechen neue Zeiten an, Zouzou. Polizeiassistentin
Rothe wird mich jetzt jeden Morgen begleiten. Du solltest also ein bißchen
netter zu ihr sein.«
»Meine
Anwesenheit liegt in Ihrem eigenen Interesse«, sagte Laura. »Wenn Sie
irgendwelche Probleme haben, können Sie diese mit mir im Anschluß an die
Untersuchung besprechen. Ich werde versuchen, Ihnen zu helfen.«
»Na,
dann bitte ich mal
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