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Hahn, Nikola

Hahn, Nikola

Titel: Hahn, Nikola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Farbe von Kristall
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wollte, aus Offenbach kommen?«
    »Ja,
richtig. Vielleicht gibt es da einen Zusammenhang, von dem wir noch nichts
ahnen.«
    Paul
Heusohn legte den Manschettenknopf zurück und ging zur Tür.
    »Wo
wollen Sie denn hin?« fragte Richard.
    »Sie
haben mir doch gerade den Auftrag gegeben, zur Polizei nach Offenbach...«
    »Sie
dürfen für Ihre Anfrage gern das Telephon benutzen.«
    »Verz...
äh, ich habe das noch nie gemacht.«
    »Dann
wird es Zeit.« Richard gab Paul Heusohn eine Broschüre der Post und die
Anschlußteilnehmerliste. »Darin finden Sie alles, was Sie wissen müssen. Es ist
halb so schwer, wie es aussieht«, fügte er lächelnd hinzu und ging.
    Respektvoll
betrachtete Paul Heusohn den Telephonapparat, der an der Wand neben dem Fenster
hing. Er schlug die Broschüre auf. Anweisung zur Benutzung der Fernsprecheinrichtungen, las er. Teilnehmer A wünscht Teilnehmer B zu sprechen. Zu diesem Zwecke
weckt A zunächst die Vermittelungsanstalt, indem er kurze Zeit (2 bis 3
Sekunden lang) gegen den Knopf a (siehe Zeichnung) drückt. Sein Blick
glitt von der Zeichnung zum Telephon und zurück. Hierauf hebt er den
Fernsprecher b vom Haken c und hält ihn mit der Schallöffnung gegen das Ohr.
Die Vermittelungsanstalt antwortet: Hier Amt, was beliebt? A erwidert durch den
Fernsprecher d: Wünsche mit Nummer... (Nr. von B in der Teilnehmerliste) zu
sprechen. Er wiederholte den Text, bis er ihn auswendig kannte. Als er den
Fernsprecher abnahm, zitterte er vor Aufregung. »Ja, bitte?« hörte er das
Fräulein vom Amt.
    »Hier
stand früher der Clesernhof, das ehemalige Polizeipräsidium«, sagte Heiner
Braun. »Noch vor der Jahrhundertwende wurde er abgerissen, um einer
Rathauserweiterung Platz zu machen.«
    Lauras
Blick wanderte über Putten und Fabeltiere, nackte Männer, die unter der Last
von Altanen zu ächzen schienen, Zinnen, Giebelchen und verspielte Erker.
»Ziemlich viel Prunk und Pomp, oder?«
    »Man
nennt es den Wilhelminischen Stil. Normalerweise gefällt das den Preußen«,
stellte Heiner fest.
    »Meine
Ahnen kommen aus der bayerischen Provinz«, sagte Laura.
    Heiner
zeigte auf einen schlichten Wappenstein. »Der stammt noch vom Clesernhof. Genau
wie der unscheinbare Erker ganz rechts oben. Ein bißchen Opposition muß
schließlich sein.«
    Laura
lachte. »Langsam verstehe ich, warum Kommissar Biddling Zeit brauchte, sich an
Sie zu gewöhnen.«
    Sie
gingen weiter in die Rotekreuzgasse. Das Haus, in dem Heiner früher gewohnt
hatte, war noch windschiefer als das im Rapunzelgäßchen. Aus dem obersten Stock
winkten ihm zwei Kinder zu. Eine alte Frau erkundigte sich nach Helena. Der Besitzer
eines Zigarrenlädchens wünschte lächelnd einen guten Tag. Keine Frage: Heiner
Braun war hier überall bekannt und beliebt.
    Ein
dürrer Junge mit schmuddeligem Hemd und zerzaustem Haar grinste ihn an. »Ei
gude, wie?«
    »Lausebengel!
Was treibst du dich ohne Jacke auf der Gasse herum?«
    »Ei,
ich guck nur e bissi in die Luft, Herr Wachtmeister. Genau wie Sie.«
    Heiner drohte
ihm lächelnd mit dem Zeigefinger. »Mach, daß du nach Hause kommst, Schlawiner!
Oder ich sage deiner Mutter Bescheid.«
    »Bloß
net! Sonst flennt se noch mehr rum«, sagte der Junge und lief davon.
    »Habe
ich das richtig verstanden?« fragte Laura. »Seine Mutter weint?«
    Heiner
nickte. »Sie hat erst vor kurzem ihren Mann verloren. Fritz Wennecke, der
Arbeiter von Pokorny & Wittekind.«
    »Ich
verstehe nicht...?«
    »Erinnern
Sie sich an die Akte, die Sie vorgestern in Kommissar Biddlings Büro gelesen
haben?«
    »Der
Unfall mit der Dampfmaschine in der Bockenheimer Fabrik?«
    »Ja.
Ich glaube allerdings nicht, daß es ein Unfall war. Und Kommissar Biddling
glaubt es auch nicht. Leider haben wir keine Beweise. Durch die Mordsache
Lichtenstein wird die Akte wohl vorerst liegen bleiben.«
    Sie
verließen die Rotekreuzgasse und kamen in eine enge Straße, die zu einer Seite
hin mit einem Gittertor verschlossen und so schummrig war, daß Laura aufpassen
mußte, daß sie nicht über das moosbewachsene Pflaster stolperte.
    »Das
Citronengäßchen«, sagte Heiner. »Seinen Namen verdankt es einem Kaufmann, der
hier früher einen Zitronenhandel betrieb.«
    Aus
einer offenen Tür drang Kindergeschrei. Es roch nach Kohl und Pellkartoffeln.
Laura sah Fenster und Klappläden, von denen die Farbe blätterte. In den oberen
Stockwerken streifte hier und da Sonnenlicht die Fassaden. Heiner blieb vor
einem Durchgang stehen, der in einen dunklen Hof

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