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Hahn, Nikola

Hahn, Nikola

Titel: Hahn, Nikola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Farbe von Kristall
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führte. In der Einfahrt lag
Altmetall, im Rinnstein ein zerknülltes Taschentuch. »Das hier gehört zum
Gebäudekomplex einer Metzgerei am Großen Kornmarkt. Käthe Heusohn wohnt mit
ihren Kindern im Hinterhaus.«
    »Hat
sie denn keinen Mann?«
    Heiner
schüttelte den Kopf. »Der Vater von Paul, ihrem Ältesten, ist unbekannt, der
andere starb im vergangenen Sommer an den Folgen jahrelanger Trunksucht. Sie
hätte wirklich Besseres verdient.« Er zeigte auf ein rußschwarzes Häuschen neben
der Einfahrt. Die Fassade war mit Balken abgestützt. »Dort wuchs Martin Heynel
auf.«
    »Warum
erzählen Sie mir das?«
    »Weil
ich weiß, daß es Sie interessiert«, antwortete Heiner freundlich.
    Nach
ihrer Rückkehr ins Rapunzelgäßchen kam Anna Frick in die Küche. Ihr Gesicht war
ausdruckslos. »Ich muß Sie sprechen, Herr Braun. Allein.«
    Der
Photograph kam eine halbe Stunde zu spät, und bis sein Assistent alle
benötigten Gerätschaften im Labor zusammengepackt und zum Wagen getragen
hatte, war eine weitere halbe Stunde vergangen. Beck war wütend. Nur, weil die
Herren Staatsanwälte und Richter zu dumm waren, eine Zeichnung richtig zu
lesen, mußten diese albernen Aufnahmen gemacht werden! Als sie Lichtensteins
Geschäft erreichten, dämmerte es schon. Mit viel Palaver wurden Stativ und
Kamera ausgeladen. Das Kutschpferd wieherte. Passanten blieben stehen und
tuschelten.
    »Gehen
Sie weiter! Hier gibt es nichts zu sehen!« rief Beck.
    Im
Treppenaufgang brannte Gaslicht; in Lichtensteins Kontor war es kalt und
klamm. Beck erklärte, wo welche Aufnahmen gemacht werden sollten. Als der
Assistent die eingetrockneten Blutflecken sah, fing er an zu würgen.
    »Unterstehen
Sie sich!« sagte Beck gereizt. Sein Bedarf an Dilettanten war für heute
wirklich gedeckt.
    Der
Photograph entschied, im Kontor zu beginnen. Während die beiden Männer den
Photoapparat aufbauten und über die Menge des benötigten Magnesiums stritten, sah
Beck aus dem Fenster. An der Hauptwache schlug ein Schutzmann ein Plakat an.
Sofort war er von Neugierigen umringt. Etwas abseits
    stand
eine dunkelgekleidete Frau. Beck fiel sie nur deshalb auf, weil sie sich als
einzige nicht für den Aushang interessierte. Statt dessen schien sie das Haus
zu beobachten.
    »Wenn
Sie bitte beiseite treten würden, Herr Kommissar? Wir müssen das Fenster
abdecken«, sagte der Photograph. »Die Lichtreflexe stören.«
    Es
dauerte fast drei Stunden, bis sie fertig waren. Beck verließ die
Geschäftsräume als letzter und versiegelte die Eingangstür. Als er in die
Kutsche stieg, sah er eine dunkle Gestalt in der Gasse neben der
Katharinenkirche verschwinden.
    In Höhe
der Hauptpost ließ er halten und stieg aus. Er ging zurück und näherte sich
unauffällig Lichtensteins Haus. Vor der Kirche standen zwei Männer und
debattierten. Die Trambahn fuhr vorbei. Nirgends war etwas Verdächtiges zu
entdecken. Leise öffnete er die Eingangstür und schlüpfte ins Haus. Er hörte
die Treppe knarren und wußte, daß er mit seiner Vermutung recht gehabt hatte.
Irgend jemand hatte gewartet, bis die Luft rein war. Aber wer - und warum? Da
es aussichtslos war, auf der Holztreppe nach oben zu gelangen, ohne Geräusche
zu verursachen, ging er normalen Schrittes hinauf. Im ersten Stock kam ihm eine
Frau entgegen. Sie trug ein dunkles Kleid und huschte mit einem knappen Gruß an
ihm vorbei.
    Beck
tat, als gehe er in den zweiten Stock hinauf, blieb aber auf dem Treppenabsatz
stehen. Er mußte nicht lange warten. Sie sah sich nach allen Seiten um, näherte
sich Lichtensteins Tür und betrachtete das Siegel. Dann griff sie in ihre
Manteltasche und bückte sich.
    »Was
tun Sie da?«
    Sie
fuhr zusammen, als habe sie jemand geschlagen. Ihre rechte Hand war zur Faust
geballt und ihr Gesicht so starr, daß es in dem spärlichen Licht wie eine weiße
Maske wirkte.
    Beck
sprang die wenigen Stufen nach unten. »Ich habe Sie gefragt, was Sie hier
machen!«
    »Ich...
nichts.«
    »Wie
heißen Sie?«
    »Frick.«
    »Ach? Etwa
Fräulein Anna Frick aus dem Rapunzelgäßchen?«
    Sie
nickte.
    »Was
wollen Sie hier?«
    »Nichts.«
    »Verstehe.
Sie sind zufällig vorbeigekommen.«
    » Ja. «
    »Nun
gut. Dann bitte ich Sie, mich zum Polizeipräsidium zu begleiten.«
    »Warum?«
    »Um
Ihre Aussage zu protokollieren.«
    »Aber...«
    »Entweder
kommen Sie freiwillig mit, oder ich lasse Sie von einer Wache abführen!«
    Ohne
ein weiteres Wort folgte sie ihm zum Präsidium. Ihr Schweigen hatte etwas

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