HahnBlues | Ein Rhein-Mosel-Krimi
gerade im Fall von Sabine anzubahnen. Auch wenn sie ihn „nur“ um den Erhalt der Freundschaft gebeten hatte, so war ihm nicht entgangen, dass sie sich offensichtlich Hoffnungen auf ihn machte. Ob um der alten Zeiten wegen, oder weil sie ihn nach all den Jahren immer noch liebte, konnte er nicht einschätzen. Sie war eifersüchtig auf Beatrice, gar keine Frage. Und auch wenn sie das abgestritten hatte, so lag es auf der Hand, dass sie bei ihrer Recherche absichtlich Beatrices negative Attribute in den Vordergrund gestellt hatte.
Was aber, wenn sie erfuhr, dass er Bettina, seine alte Jugendliebe aus Enkirch, wiedergetroffen hatte? Kaltenbach hatte keine Ahnung, wo das noch hinführte. Er rangierte die Honda in den Schuppen und stieg ab. Vielleicht sollte er Bettina einfach anrufen. Ihm fiel auf, dass er heute noch nichts von ihr gehört hatte.
„Ich sollte langsam mit der verdammten Vielweiberei aufhören, dafür bin ich einfach schon zu alt“, murmelte er und blickte sich sofort mit schuldbewusster Miene um. Es wäre unter Umständen fatal, wenn Beatrice ihn gehört hatte. Apropos Beatrice – er hatte noch einige Fragen an sie. Aber Kaltenbach wollte nicht mit der Tür ins Haus fallen.
Alles zu seiner Zeit, dachte er und legte sich einen Plan zurecht, wie er den Abend mit ihr gestalten würde.
Kaltenbach marschierte breitbeinig wie ein Cowboy nach stundenlangem Ritt auf die Haustür zu und stellte verwundert fest, dass sie nur angelehnt war. Ein feiner Duft nach Parfüm kroch in seine Nase.
„Beatrice?“, rief er in die Stille des Hauses. „Ich bin da!“ Kaltenbach trat in den Flur, machte sich daran, die schweren Stiefel abzustreifen und zog sich die Lederjacke aus.
Mit schräg gelegtem Kopf lauschte er. Keine Schritte, kein Knarzen von Dielen, es war mucksmäuschenstill in seinem alten Bauernhaus. So still, wie es nicht einmal nachts war, wenn er allein im Bett lag und nicht einschlafen konnte. Das alte Haus produzierte immer irgendwelche Geräusche.
„Bea – bist du zu Hause?“, fragte er und trat an den Absatz der steilen Holztreppe, die in die beiden oberen Stockwerke führte. Das Licht der untergehenden Sonne drang durch die kleinen Fenster und tauchte das Mobiliar in einen geheimnisvollen Schein.
Als Bernd ein Geräusch hinter sich vernahm, wandte er sich mit einem Lächeln, das im gleichen Moment wieder erfror, um. Er sah einen großen dunklen Schatten hinter sich auftauchen. Fast gleichzeitig spürte er den Schlag auf dem Schädel, glaubte das Knacken seiner Schädelplatte zu hören und sackte leblos zusammen. Bevor er einen letzten Gedanken fassen konnte, entschwand Kaltenbach der knallharten Realität.
Traben-Trarbach, 20.35 Uhr
„Sie ist nicht da.“ Wilms senior war nahezu lautlos auf der Bildfläche erschienen und hatte Udo prompt einen Riesenschrecken eingejagt. Udo hatte mehrfach den Knopf der Türglocke betätigt, das Haus schien leer zu stehen. Auch, als er die Hände schützend vor die Augen gehalten und einen Blick durch das bunte Glas der alten Haustür zu erhaschen versucht hatte, war ihm das Haus verlassen vorgekommen.
Jetzt wandte sich Udo um, strich sich mit einem verlegenen Grinsen durch das kurze Haar und trat nervös von einem Fuß auf den anderen. Jürgen Wilms lächelte, doch es war kein glückliches Lächeln, fast wirkte es, als hätte der alte Mann Schmerzen.
„Aber ich hätte Sie sowieso morgen angerufen. Es geht um meine Tochter. Können wir reden?“
Udo nickte. „Natürlich, deshalb bin ich ja hier.“
„Ich gucke gerade Tagesschau, aber das hier ist wichtiger.“
„Sie werden es wissen“, lächelte Udo und folgte dem Vater von Julia Wilms in dessen Haus. Von Mutter Wilms war nichts zu sehen, doch irgendwo im Haus lief ein Fernseher mit großer Lautstärke. Die Tagesschau.
„Kommen Sie, wir gehen in die Küche.“
„Gern.“ Udo war gespannt, was den alten Mann so bedrückte.
Sie setzten sich, Jürgen Wilms bot Udo etwas zu trinken an, doch er verneinte. Nach dem Gespräch wollte er Schluss machen für heute. Und er hatte keine Zeit, unterwegs plötzlich pinkeln zu müssen. Es war höchste Zeit, an den Feierabend zu denken. Die Personalliste von Bärmann würde er sich in Ruhe und bei einem Bier zu Hause anschauen.
Wilms selber holte sich eine Flasche Wein, nahm einen Korkenzieher aus einer Schublade und machte sich daran, die Flasche mit feierlicher Miene zu entkorken, was Udo an eine Zeremonie erinnerte. Wenig später gluckerte der
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