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Hahnemanns Frau

Titel: Hahnemanns Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bauer Angeline
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Augenlider zuckten vor Nervosität. Er sah Mélanie an. »Michael und Sonia Landsknecht, unsere deutschen Freunde – bestimmt erinnern Sie sich an die beiden?«
    Mélanie nickte. Das junge Paar wohnte ein paar Straßen weiter in der Rue Cardinet und hatte vor einem halben Jahr ein Kind bekommen. Einen kleinen Jungen, soweit sie sich erinnerte. Sophie und Karl spielten manchmal Lotto mit ihnen, oder sie gingen sonntags zusammen in den Bois de Boulogne. »Was ist mit ihnen?«
    Karls Lippen zitterten, er rang sichtlich nach Fassung. »Ich war gestern am Nachmittag zu ihrem Haus unterwegs, denn der kleine Michael hatte Fieber, und ich habe ihn behandelt. Es ging ihm bereits wieder besser, aber ich wollte doch noch einmal nach ihm sehen.«
    Karl stockte. Die Worte kamen ihm nur schwer über die Lippen.
    »Vom Arc de Triomphe zog eine aufgebrachte Menge nach Norden, Richtung Clichy. Sie brüllten Parolen gegen uns Deutsche und sangen die Marseillaise. Plötzlich kamen preußische Soldaten dazu. Schüsse fielen, ein Handgemenge entstand. Um nicht gesehen zu werden, drückte ich mich in einen Hauseingang und wartete ab. Die Soldaten nahmen einige Franzosen gefangen, andere liefen weg oder versteckten sich. Einer der Soldaten hetzte zu Pferde einem Mädchen nach. Er stieß mit dem Gewehrkolben nach ihr und schimpfte sie Hure. Ein Mann kam der Kleinen zu Hilfe, es fielen wieder Schüsse. Am Ende lagen das Mädchen, der Mann und drei andere tot da. Als die Soldaten abgezogen waren, kamen die aufgebrachten Menschen aus allen Löchern. Sie zerrten die Leichen weg und schworen den Deutschen Rache. Eine Horde junger Männer bog in die Rue Cardinet ein. Ich folgte ihnen in einigem Abstand und sah, daß sie in das Haus stürmten, in dem unsere Freunde wohnen. Ich hatte Angst um sie, doch …«
    Karl brach ab. Er wischte sich die Tränen aus den Augen und rang nach Fassung.
    »… doch ich wußte nicht, wie ich ihnen beistehen könnte. Wäre ich hineingegangen, hätte ich ihnen vielleicht helfen können. Aber andererseits … was kann ich schon ausrichten gegen sechs oder sieben aufgebrachte junge Kerle, die nichts als Rache und Vergeltung im Sinn haben?«
    Karl schluchzte auf, und Sophie nahm ihn in die Arme. »Es ist doch nicht deine Schuld, mein Liebster!«
    Er atmete tief durch, dann sprach er so leise weiter, daß Mélanie ihn kaum verstehen konnte: »Als sie abgezogen waren und ich das Haus betrat, fand ich Michael und Sonia … fand sie erhängt am Balken auf dem Dachboden. Den kleinen Michael haben die Männer in seinem Bettchen mit einem Kissen erstickt.«
    »O Gott!« Mélanie schlug die Hände vors Gesicht. »So viel Grausamkeit!« Sie umarmte Sophie und Karl und drückte sie beide an sich. »Warum nur tun Menschen sich so etwas an?«
    »Wir müssen fliehen, Mama!« Sophie sah Mélanie beschwörend an. »Hier ist kein Platz mehr für uns. Und Sie müssen mitkommen – bitte! Ich könnte keine Minute mehr ruhig sein, wenn Sie alleine in Paris blieben!«
    »Aber ich …« Mélanie brach ab und schüttelte mehrmals den Kopf. »Wie könnte ich diese Stadt verlassen, in der mein Mann begraben liegt?«
    »Es geht nicht um die Toten – es geht um die Lebenden, Mama! Und es geht auch um die Manuskripte. Sie müssen die Aufzeichnungen fortschaffen. Hier ist nichts und niemand mehr sicher, solange deutsche Soldaten französische Bürger ermorden und französische Männer sich an unschuldigen Deutschen rächen!«
    Mélanie dachte lange nach. Dann nickte sie. »Ja, da hast du recht, mein Kind. Die Manuskripte …« Sie legte die Handflächen aneinander und die Fingerspitzen an den Mund. »Ich muß sie in Sicherheit bringen, aber ich kann nicht einfach so überstürzt abreisen. Ich brauche eine Weile, um meine Angelegenheiten zu ordnen. Die Manuskripte und Journale müssen verpackt werden, der Haushalt aufgelöst. Ich möchte Sébastien noch einmal wiedersehen, und – ich muß mich von meinem Mann verabschieden.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Versteht ihr, ich brauche ein Weilchen, eine Zeit für mich. Aber ihr beide, ihr müßt noch heute losfahren.«
    Sophie umarmte Mélanie. »Ich reise nur, wenn Sie mir ganz fest versprechen, daß Sie uns folgen werden.«
    »Ich verspreche es. Spätestens in drei Tagen!« Sie sah Sophie fest an. »Ganz bestimmt, aber jetzt packt das Nötigste, und macht euch auf den Weg.«
    Eine Stunde später stiegen die jungen Leute in eine Kutsche, die sie aus der Stadt bringen sollte. An

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