Hahnemanns Frau
viel Geld. Sie müßte einigen Besitz verkaufen, und das hätte zur Folge, daß ihre jährlichen Einnahmen empfindlich gekürzt wären.
»Und wann würde das erste Geld fließen?«
»Spätestens in einem Jahr. Zuerst würde ich ein entsprechendes Gebäude anmieten. Ich habe bereits eines im Süden Englands in Aussicht. In England sind die Löhne niedriger als in Frankreich. Ich würde die einzelnen Teile des Kompressors bauen lassen, und wir würden sie zusammensetzen. Nach ersten Tests könnten wir, wenn alles gut läuft, der Welt unseren Kompressor vielleicht schon im Sommer nächsten Jahres vorstellen.«
Eine Weile schwieg Mélanie, dann sagte sie: »Natürlich müßte ich das alles noch von einem Anwalt prüfen lassen.« Sie dachte an Sébastien, aber der war zur Zeit in Marseille und würde frühestens in zwei Monaten wieder zurück sein. Daher bat sie Clifford um Bedenkzeit.
»Ich verstehe selbstverständlich Ihre Bedenken, Madame, aber ich kann unmöglich so viel Zeit untätig verstreichen lassen. Andere sind ebenfalls mit solchen Erfindungen beschäftigt. Leider kann ich meine Unterlagen nicht einfach so bei Ihnen zurücklassen. Nicht, daß ich Ihnen Mißtrauen würde, Madame, aber wenn eingebrochen würde … wenn ein Spion sich einschleichen würde … Nein, ich werde das Projekt in Angriff nehmen. Mit Ihnen oder mit einem anderen Geschäftspartner. Sie müssen sich entscheiden, Madame. Schlafen Sie ein paar Nächte darüber – aber ich bitte Sie, verraten Sie niemandem von diesem Projekt! Alles muß vollkommen vertraulich behandelt werden.«
Clifford stand auf und packte seine Unterlagen wieder in die Mappe, dann sah er Mélanie an. »Ich komme wieder – sagen wir in vier Tagen. Denken Sie über die Sache nach. Besprechen Sie sich mit einem Vertrauten. Ich bin gerne bereit, auch ihm meine Erfindung noch einmal zu erläutern, doch dann müssen wir das Geschäft abschließen oder es lassen.«
Er streifte seine Haare aus der Stirn und lächelte. Mélanie starrte auf die Grübchen in seinen Wangen. »Gut, ich werde mir die Sache durch den Kopf gehen lassen, Monsieur Clifford. Treffen wir uns am Montag zum Tee hier bei mir. Ein Vertrauter, Monsieur Lethière, wird anwesend sein. Dann sehen wir weiter.«
Charles war skeptisch und machte auch vor Clifford keinen Hehl daraus. Zwar konnte er nichts an dieser Erfindung widerlegen, und es schien alles logisch und nachvollziehbar, aber er war ja auch kein Techniker.
»Ich spüre, daß Sie mir nicht vertrauen.« Mister Clifford griff in seine Mappe und zog ein Dokument heraus, das schob er Charles hin. »Da ist das Patent. Wie Sie sehen, ist alles geprüft und genehmigt. Hier haben Sie den Vorvertrag für die Halle, in der wir den Kompressor bauen werden. Sobald ich über genügend Geld verfüge und wir anfangen können, werde ich den endgültigen Vertrag unterzeichnen, und wir können das Gebäude sofort beziehen.«
Charles gab die Papiere an Mélanie weiter. Auch sie sah die Dokumente durch. Dann zog Mister Clifford noch ein weiteres Papier aus seiner Mappe und gab es Charles. »Hier habe ich noch ein Empfehlungsschreiben von meinem Schwager.«
Es war am 11. März des Jahres ausgestellt und direkt an Mr. und Mrs. Dr. Samuel Hahnemann gerichtet. Die Adresse Swan Walk N o . 4 in Chelsea, London, stimmte mit der ihres Patienten überein. Ob die Unterschrift echt war, ließ sich nicht sagen, denn es lag in den Patientenunterlagen keine Unterschrift von Mr. Brown vor.
Mélanie stand auf. »Entschuldigen Sie, Mister Clifford, ich möchte mich noch einmal kurz mit Monsieur Lethière unter vier Augen besprechen.«
Clifford wollte ebenfalls aufstehen, aber Mélanie bat ihn, sitzen zu bleiben, und verließ den Raum.
Charles folgte ihr in den Speisesalon, sie schloß die Tür hinter ihm und sah ihn an. »Ich werde das tun. Wir haben das Patent gesehen und auch das Empfehlungsschreiben von Mr. Brown. Er war ein sympathischer, korrekter Mann mit tadellosen Manieren, und ich sehe keinen Grund, warum ich ihm nicht vertrauen sollte. Ein Risiko bleibt natürlich, aber das muß ich bereit sein einzugehen.«
»Doch wenn das Geld verloren wäre …«
»Dann hätte ich ein sehr großes Problem.« Mélanie nickte. »Aber verstehst du, ich muß etwas tun! Seit Villenoix abgebrannt ist und die Wälder bei Pontoise keinen Ertrag mehr bringen, ist es für mich sehr schwer geworden, meinen Unterhalt zu bestreiten. Man läßt mich nicht praktizieren. In der Malerei ist
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