Haie an Bord
daneben stehst. Das will ich dir ersparen.«
»Es gibt immer eine Möglichkeit, zu retten.«
»Diese Sucht, zu leben und Leben zu erhalten, kotzt mich an.« Sie zog die Knie hoch und umfaßte sie. Dabei spannten sich ihre Muskeln und traten durch die jetzt gebräunte Haut. Das Ebenmaß der vollkommenen Schönheit verriet etwas von der ihr innewohnenden heimlichen Kraft.
»Ich habe dir nicht alles gesagt«, meinte sie. »Tanja ist tot. Vor sechs Wochen überfahren. Von ihrem eigenen Vater, als er den Wagen rückwärts aus der Garage setzte. Er hat dann nicht lange gewartet, hat Tanja neben sich in den Wagen gelegt, ist wieder in die Garage hineingefahren, hat das Tor geschlossen, die Fenster heruntergekurbelt, den Motor laufen lassen …«
Wolff nickte. Er griff nach Eves Händen, aber sie zog sie sofort weg.
»Sprich nicht weiter«, sagte er heiser.
»Warum nicht? Je mehr ich darüber rede, um so leichter fällt mir alles. Jedes Wort, jedes Stäubchen Erinnerung ist ein Stoß, der mich näher an den Abgrund bringt. Ich brauche das, Bert … ich bin im Grunde ein verdammt feiger Mensch.« Sie stand auf – es war mehr ein Aufschnellen – und trat an das Geländer des Pools. »Und dann ist man so weit, daß alles klar ist, daß man den ungeheuren Mut hat, mit vollem Bewußtsein Schluß zu machen … und da kommt einer, und man verliebt sich in ihn. Das ist gemein von diesem Schicksal! Und deshalb hasse ich dich!«
»Der Gedanke, völlig neu anzufangen, ist dir nie gekommen?«
»Nein. Dazu war ich innerlich schon zu weit weg. Neuer Anfang … welch dumme Rederei. Fängt eine Mumie neu an zu leben, wenn man sie auswickelt und in ein Museum setzt?«
»Daß du noch lieben kannst, ist ein Beweis, daß du noch lebst.«
Sie fuhr herum, er sah ihre grünen Augen nicht unter den roten Haarkaskaden, aber er ahnte, daß sie groß und sogar ängstlich waren.
»Geh weg!« zischte sie. »Himmel noch mal, geh weg, laß mich allein … oder ich springe mit einem Satz über Bord auf die Betonmauer des Kais!«
Er zögerte, drückte sich dann wortlos aus dem Liegestuhl und ging. Es ist besser so, dachte er. Mein Gott, was hat diese Frau an Schicksal zu verkraften, aber es ist kein Einzelschicksal. Was sie erlebt hat, haben Tausende vor ihr durchgestanden. Sich so zu benehmen wie sie, ist ein mörderischer Egoismus. Ich werde es ihr klarmachen, nicht heute, aber bald, sehr bald.
Er ging über das Deck, die Hände in den Rocktaschen seiner weißen Uniform und zwang sich, sich nicht umzudrehen. Es kostete viel Kraft, aber er stand es durch bis zum Abstieg zu Deck III.
Eve Bertram blickte ihm nach, alle Spannung war von ihr gewichen, die Muskeln erschlafften, sie kam sich elend und wie ungerechtfertigt geschlagen vor.
»Hilf mir –«, sagte sie leise, als Wolff sich entfernte und nicht das geringste Zögern in seinem Schritt war. »Hilf mir doch … Ich will ja gar nicht mehr sterben. Ich will leben! Leben mit dir. Aber ich habe Angst vor diesem Leben. Kann man das nicht verstehen … oder bin ich wirklich verrückt?«
Dr. Wolff verschwand im Abstieg zu Deck III. Es war ein dummer Zufall, daß gerade in diesem Augenblick aus einem Seitengang Mario Filippo und Tomaso Colezza kamen, in den Händen die schönen, schwarzen Krokoledertaschen mit dem Sprengstoff.
Sie waren auf dem Weg nach unten, zum Maschinenraum, zu den Schotts, und sie handelten, eingedenk ihrer Spezialausbildung, so blitzschnell, daß Wolff weder etwas sah noch hörte. Er spürte nur einen Schlag auf dem Hinterkopf und verlor das Bewußtsein. Tomaso fing ihn auf, schleifte ihn in eine der verlassenen Kabinen, warf Dr. Wolff aufs Bett und lief Filippo nach.
»Scheiße!« keuchte er. »Aber ich wette, er hat nichts gesehen.«
»Bestimmt nicht!« Sie rannten die vorher eingehend inspizierten Treppen hinunter. Plan A lief ab, wie er so oft geübt worden war. »Er wird sich nachher wundern, wie er in das Bett einer unbekannten Frau kommt. Diabolo, wir haben genau neun Minuten Zeit …«
Es klappte vorzüglich.
Wo die vier ehrenwerten Männer in der Tiefe des Schiffsbauches auftauchten, fanden sie gähnende Leere. Nur im Schaltraum saßen vier Maschinisten und ein junger Ingenieur … die notwendige Wache. Sie spielten Skat und Canasta.
Norman White und seine Männer hatten keine Mühe, ihre Sprengladungen an sieben verschiedenen Stellen anzubringen. Es waren elektronisch zu zündende Bomben mit einem Magnetfuß, der sich überall ankleben ließ wie eine
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