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Haie an Bord

Haie an Bord

Titel: Haie an Bord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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verschreiben und sagte: »Es stimmt nicht, daß die Frau aus einer Rippe Adams gemacht worden ist. Hier irrt die Bibel. Nach meinen Erfahrungen stammen die Frauen von den Raubkatzen ab.«
    »Auch Raubkatzen kann man dressieren«, lachte Wolff.
    »Aber das kostet Narben.« Von Hoffberg schluckte eine Herzpille. »Lieber Doktor, in meinem Alter ist man für jedes Pfötchengeben dankbar.«
    Sonst war der Arztdienst an Bord sehr langweilig. Ein paar Seekranke, zwei verdorbene Mägen, eine Tropengrippe, zwei Verstauchungen bei Bordspielen, ein Gerstenkorn am Augenlid einer amerikanischen Millionärin, eine Nierenkolik beim II. Ingenieur – das war bisher alles. Das ganze Schiff schien eine kerngesunde Gesellschaft zur Piratenküste zu bringen. Zweihundert zähe, auf Reisen trainierte Menschen, die auch die festlichen Nächte an Bord verdauten wie Magerjoghurt. Ab und zu erschien auch McHolland zu einem Gespräch bei Dr. Wolff … man traf den alten Lord überall an, wo Ruhe war. Hier aber lagen auch Eve Bertram und Dr. Wolff nebeneinander in ihren Liegestühlen, von einigen Passagieren bereits als ›das‹ Liebespaar auf dem Schiff betrachtet. Doch das war ein Irrtum. Bis auf den Kuß nach dem Tassenwurf hatte sich zwischen ihnen nichts ereignet. Als Wolff an diesem Morgen Eve den Bademantel von der nackten Schulter streifen wollte, hatte sie seine Hände festgehalten und leise gesagt:
    »Bitte nicht, Bert. Und sag jetzt kein Wort, das du später bereuen müßtest.« Dann hatte sie gelächelt, und zum erstenmal waren ihre Phosphoraugen von einer sanften Zärtlichkeit. »Setz dich. Der Kaffee wird kalt.«
    Ein profaner, ernüchternder Satz in dieser Minute, in der Wolff dem Himmel näher war als jedes lebende Wesen.
    Sie waren dann immer zusammen, beim Essen, an der Bar, an Deck, im Pool. Die Schenkelwunde heilte gut, die Schulterprellung löste sich auf, und er sagte einmal: »Du bist von Natur aus ein heilfreudiges Wesen. Es wird dir schwerfallen, dich umzubringen.«
    »Ich habe da eine gute Idee.«
    »Verrate sie.«
    »Warum? Dagegen gibt es kein Mittel.«
    »Ich bin gespannt.«
    Sie hatte ihn angesehen, ihre grünen Augen bekamen einen Hauch Nachdenklichkeit, dann hatte sie sich wieder dem Meer zugewandt und starrte in die Wellen.
    Die vier eleganten, schwarzgelockten Herren lebten so, wie man es von ihnen erwartete. Es war, als hätten sie eine Liste von allen Kabinen mit alleinreisenden Damen angefertigt und hakten jeden Morgen dann die getane Arbeit ab. Auch Berthilde Bolthe kam an die Reihe, und hier zeigte sich, daß gutes Training etwas wert ist: BB geriet an den forschen Tomaso Colezza und fiel danach zwei Tage und Nächte völlig aus. Sie blieb im Bett wie eine satte Katze, die zehn Mäuse gefressen hat. Selbst der Kabinensteward hatte keine Angst mehr, sie im Bett zu bedienen.
    Ein Nebeneffekt der nächtlichen Übungen war allerdings eine Liste, von der niemand etwas ahnte. Auf dieser Liste standen die taxierten Werte der Schmuckstücke, die sich die vier eleganten Herren vor, zwischen oder nach ihren Liebesdiensten zeigen ließen, sie begeistert bewunderten (was jede Frau entzückt) und betätschelten, als seien sie ein schöner Körper. McHolland, der diese Wanderungen auf seinen nächtlichen Spaziergängen kühl und mit dem Abstand eines Gentleman registrierte, baute seinen Verdacht gegen die vier Herren ab. Nur der Klang des zuschnappenden Gewehrschlosses blieb ihm im Ohr. Es ist blöd, dachte er. Im Alter scheinen sich die Geräusche zu verschieben und verbinden sich mit Erinnerungen. Ein Mensch wie ich lebt ja vor allem im Rückblick.
    So sah er es auch nur als Zufall an, daß einmal knapp neben ihm eine Eisenstange von einem Aufbau auf Deck knallte und – kurz vor Aden – die Verankerung eines Rettungsbootes riß und der Kiel des Bootes haarscharf neben seiner Schulter auf die Reling schlug. Es war ein Platz, wo McHolland besonders gerne stand, weil er hier wirklich allein war.
    »Ein verfluchter Unfall!« sagte Kapitän Johann Meesters später zu seinen Offizieren. »Aber wir wissen ja, daß wir auf einem Haufen lackierten Rostes fahren. Sofort alle Boote nochmals überprüfen! Alles, was sich losreißen und bewegen kann, kontrollieren! Funkspruch an die Reederei! Ich werde den Lord beruhigen.«
    Das war nicht nötig. McHolland, in seinem Leben so oft am Rande von Katastrophen, hatte die Vorfälle schon vergessen.
    »Er ist wirklich ein verdammter Geist!« sagte Tomaso an diesem Tag verbittert.

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