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Haie an Bord

Haie an Bord

Titel: Haie an Bord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Geiseln!«
    »Aber Sie müssen doch einmal dieses Schiff verlassen, Sie Rindvieh!«
    White lächelte überlegen. Sein schönes Gesicht war eine so vollkommene Fehlleistung der Natur, daß Meesters sich fragte, wie ein so völlig heruntergekommener Geist in einem so vollendeten Körper wohnen konnte. Der alte Weisheitsspruch: ›Ein schöner Geist wohne in einem schönen Körper‹ war zur Lüge geworden.
    »Wir werden Ihr Schiff verlassen, und Sie merken es gar nicht, Sir«, sagte White. »Aber gehen Sie jetzt bitte in Ihre Kajüte. Ich habe eine Sperrstundenzeit eingeführt. Bis morgens 6 Uhr.«
    Meesters schüttelte den schweren Kopf, als könne er das alles noch immer nicht begreifen, zog die Mütze in die Stirn und verließ den Kommandoraum. White blieb allein zurück … allein auf einem Riesenschiff mit 400 Geiseln, einer kleinen, schwimmenden Luxusstadt, die er ausgeplündert hatte. Jetzt, wo er allein war, brach ihm der kalte Schweiß aus den Poren. Ja, es war das größte Gangsterunternehmen, das bis heute gelungen war. Es gab kein Beispiel mehr dafür. Die Ausraubung der ›Fidelitas‹ würde in die Geschichte der Menschheit eingehen.
    Er lehnte sich gegen den Maschinentelegrafen, starrte in die Nacht und gestand sich ein, Angst vor seiner eigenen Verwegenheit zu bekommen. Die Nerven entspannten sich jetzt, die Größe seiner Tat, jetzt in der Stille überschaubar, erdrückte ihn fast. Er griff zum Telefon und rief Filippo oben auf dem Sonnendeck an.
    »Alles in Ordnung, Mario?«
    »Alles, principale. Ich kann von der Pool-Bar das ganze Hinterschiff überblicken.«
    »Und Tomaso?«
    »Sitzt mittschiffs backbord in Rettungsboot 10.«
    »Carlo?«
    »Wie befohlen steuerbord in Rettungsboot 14. Keine Maus kann an Bord.«
    White hängte zufrieden ein. Nur noch diese Nacht, dachte er. Durchhalten, Jungs. Schluckt Pervitin, bleibt bloß wach … morgen nacht um 2.30 Uhr setzen wir an Land über, wo zwei Landrover auf uns warten werden. Nur noch diese Nacht …
    Das große Schiff schlief. Das Meer klatschte gegen die hohe Bordwand, die Nacht wurde schwarz, undurchdringlich, der Mond blieb hinter einer dicken Wolkendecke.
    Dreihundert Meter vor der ›Fidelitas‹ stellte der Araber Ali Ibrahim den kleinen, tuckernden Außenbordmotor ab. Das lange, flache Boot glitt lautlos über die trägen Wellen, zehn Ruder tauchten ins Wasser und drückten den Kahn durch die Dunkelheit.
    »Leiser!« zischte Sabah Salim. »Leiser. Bei Allah, ihr macht Lärm wie hundert Kameltreiber!«
    Ganz sacht, wie streichelnd, berührten jetzt die Ruder die Wasseroberfläche. Es ging zwar langsamer voran, aber jeder Laut wurde jetzt von dem Eigengeräusch der Wellen geschluckt. Das Schiff tauchte aus der Nacht auf. Gewaltig, unbezwingbar gegen den Himmel, ein Gebirge aus Stahl für die zehn Männer tief unten in dem flachen Boot.
    »Zu den Ankerketten –«, flüsterte Salim, als die Ruder waagerecht und still über dem Wasser lagen. »Hassan, mach dich bereit!«
    Hassan Mustafa el Rasul nickte. Er warf die schwarze Dschellaba ab und kroch nach vorn. Um seinen schlanken Körper trug er einen engen schwarzen Trikotanzug, das Haar lag unter einer schwarzen Gummikappe.
    Er war der Vortrupp. Gab es Widerstand – ihn würde es zuerst treffen. Er wußte es und hatte bereits Abschied von dem Leben genommen. Er hatte zu Allah gebetet, seine Mutter umarmt, den Boden seiner Heimat geküßt, eine Handvoll Sand über sein Haupt gestreut … nun lag alles in Allahs Gnade. Lautlos schaukelte das flache Boot den riesigen Schiffsleib entlang zu den gespannten Ankerketten. Der kritische Moment war bereits vorbei, die letzten dreißig Meter der Annäherung – jetzt lag es bereits im toten Winkel, man konnte es nicht mehr sehen von Bord aus, nur noch hören.
    »Ich habe es«, sagte Hassan leise. Er stand vorgebeugt in der Spitze des Bootes und hielt sich mit beiden Händen an der dicken, stählernen Ankertrosse fest.
    »Ruder ein!« kommandierte Salim. Vier Männer kamen nach vorn zu Hassan und hakten das Boot mit einem großen Haken am Ankerstahlseil fest. Sabah Salim umarmte Hassan und küßte ihn auf beide Wangen.
    »Allah mit dir!« flüsterte er. Und dann, sich umdrehend, zu den anderen: »Allah mit euch allen! Hinauf, mein Bruder!«
    Hassans geschmeidiger Körper spannte sich. Dann sprang er die Trosse an, umklammerte sie mit Armen und Beinen und begann, sich an ihr hinaufzudrücken.
    Ein kleiner schwarzer Knoten, der immer höher rutschte.
    Der Tod

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