Haie an Bord
Salon‹.
Eine halbe Stunde später – es war genau 2.17 Uhr nachts – saß der Funker Bergson an seinem Gerät und gab einen Spruch heraus. Ein Araber stand hinter ihm und drückte eine Pistole in seinen Nacken.
»Fidelitas in den Händen eines arabischen Kommandos. Weitere Informationen folgen. Meesters.«
»Bis jetzt haben wir vor der Hölle gestanden«, sagte McHolland unten im Lazarett. Zwei Araber saßen Wolff, Eve Bertram und dem Lord gegenüber. Ein verwundeter Araber wurde gerade von Dr. Wolff untersucht. Ein Lungensteckschuß. »Aber was jetzt kommt, ist die Hölle selbst. Verflucht, es war eine Idiotie, in meinem Alter noch den Helden zu spielen. Doch wer konnte das ahnen? Wer?«
Als der Tag kam, mit einem Morgenrot, das Meer, Himmel und die Küste wie mit erstarrtem poliertem Blut überzog, wußte die Welt, daß vor der Küste des Sultanats Dhufar sich eine noch nie dagewesene Tragödie abspielen würde.
Der Krisenstab an Bord des amerikanischen Flugzeugträgers ›Rangers‹ tagte nun schon seit Stunden, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Man hatte sich der ›Fidelitas‹ auf Sichtweite genähert, aber alle Verhandlungen fanden bisher nur per Funk statt. Spezialisten des FBI waren unterwegs, sie ›sprangen‹ von Hawaii aus von Flugzeugträger zu Flugzeugträger und mußten in drei Stunden eintreffen … aber was konnten sie schon tun? Sir Randley, der den Krisenstab leitete, sagte es ganz deutlich:
»Mit den vier Gangstern wären wir irgendwie fertiggeworden … mit diesen zehn Arabern werden wir es nie, ohne ein schreckliches Blutvergießen auszulösen. Die vier waren Europäer, sie hingen an ihrem Leben wie wir … aber jetzt haben wir es mit Gegnern zu tun, denen das eigene Leben nichts wert ist. Die Situation ist hoffnungslos! Gut – sie können nicht alle vierhundert Personen erschießen, wenn wir die ›Fidelitas‹ mit Waffengewalt stürmen – aber hundert schaffen sie, oder nur zehn. Oder nur einen! Und das ist schon zuviel. Denken Sie an das gräßliche Schicksal der vier Halunken … wollen Sie dreißig, vierzig Männer und Frauen sehen, wie sie von Haien zerrissen werden? Mein Gott, in welcher Welt leben wir!«
Es hatte wenig Sinn, Gott anzuklagen. Gott half nicht mehr. Er war vor Entsetzen starr über seine Schöpfung. Aber irgend etwas mußte geschehen – man kann vor den Augen der Welt nicht herumsitzen und seine Ohnmacht herausweinen.
Sabah Salim war gründlicher vorgegangen als Norman White. Er hatte Kapitän Meesters, Fritz Abels, den I. Offizier, den I. Zahlmeister, den I. Ingenieur, den Chefsteward und zehn ausgesuchte Passagiere, ausnahmslos Frauen, in den ›Blauen Salon‹ gesperrt und ihnen zwei mit Maschinenpistolen bewaffnete Bewacher beigegeben. Das Angebot, die Frauen gegen Männer auszutauschen, lehnte er ab.
»Für das Herz eines Weißen ist eine weibliche Geisel wie eine glühende Zange«, sagte er blumenreich und lächelte breit. »Es wird sich im Notfalle auch nicht vermeiden lassen, daß wir zuerst alle Frauen an Bord erschießen. In Gruppen zu zehn.«
»Sie Teufel!« schrie Meesters. Er saß wehrlos, mit auf den Rücken gebundenen Händen, auf einem Stuhl und konnte nichts anderes als brüllen. Salim antwortete nicht. Er verbeugte sich bloß und ging hinaus.
Im Lazarett saßen Dr. Wolff und Eve Bertram neben dem Operationstisch und warteten, als Salim hereinkam. McHolland, seit seinem Handstreich, der genau das Gegenteil bewirkt hatte, sehr still geworden, lief hin und her und hatte Mühe, sich mit dem Gedanken anzufreunden, daß jetzt das Ende seines Lebens gekommen war. Er hatte sich ein besseres Sterben vorgestellt … einen Herzschlag auf einem Hochsitz im Wald von Schloß Baldmoore oder ein seliges Hinüberschlafen in seinem geliebten, breiten Bett.
»Verwundete?« fragte Wolff, als Salim in der Tür stehenblieb.
»Noch nicht, Doktor.« Salim sprach ein gutes, reines Englisch. »Aber wenn Ihre Brüder unklug sind, brauchen wir auch keinen Arzt mehr. Sie verstehen …« Er sah Eve Bertram an, ein Blick, der mehr enthielt als das Interesse an einer Geisel. Wolff biß die Zähne zusammen.
»Was wollen Sie eigentlich?« fragte Eve plötzlich. Wolff griff hart nach ihrem Arm.
»Mein Gott, halt den Mund!« sagte er auf deutsch.
»Eine gute Frage.« Salim lächelte breit. Er hatte ein scharfgeschnittenes Gesicht, war glatt rasiert und trug über einem europäischen Anzug eine Art Umhang. Den Kopf bedeckte ein weißes Tuch, von einer dreifachen,
Weitere Kostenlose Bücher