Haie an Bord
es sich selbst um, und dann geschah das Wunder, daß ein alter Mann wie ein Sprinter zu laufen begann und der Treppe zu den Kabinen zuhetzte.
»Machen Sie auf, Doktor!« rief McHolland wenig später und schlug mit den Fäusten gegen die Tür von Wolffs Kajüte. »Zum Teufel, machen Sie auf. Wir haben jetzt keine Zeit mehr, uns zu genieren! Aufmachen!«
Die Tür flog auf. Wolff stand im Schein einer trüben Nachttischlampe, er trug nur eine Badehose. Hinter ihm, im Bett, leuchteten einige rotblonde Flecke über den Rand der Bettdecke. McHolland drängte ihn in die Kajüte zurück und warf die Tür zu.
»Sind Sie verrückt geworden?« fragte Dr. Wolff entgeistert.
»Ja!« McHolland sank in einen der blanken grünen Ledersessel. Mit beiden Händen umklammerte er das Funkgerät. »Was ich getan habe, war verrückt … aber es ist gelungen. Doktor, wir sind gerettet! Ich habe den Impulsgeber. Hier …« Er hob den kleinen Kasten vor der Brust hoch. »Sie können keine Bomben mehr zünden! Verstecken Sie das Teufelsding! Schnell! Alle scheißen sich hier in die Hosen – Verzeihung, meine Dame –«, er machte eine leichte Verbeugung zu dem goldenen Haarbüschel im Bett –, »und da muß ein alter Mann kommen …«
Er schwieg. Eine grenzenlose Erschöpfung überfiel ihn. Er ließ die Arme sinken und starrte Dr. Wolff an, als drehe man ihm die Luft ab.
Fast um die gleiche Minute erreichte Hassan Mustafa an der Stahltrosse die Ankernische und kletterte an Bord der ›Fidelitas‹.
Ihm folgten, neun Schatten, lautlos und katzengleich, neun weitere Gestalten.
Es war ein schnelles Aufräumen. White war der erste, der von zwei schwarzen Gestalten angesprungen wurde. Er begriff gar nichts von dem, was geschah – er spürte nur etwas Heißes in seinen Rücken eindringen, sein Herz wurde gespalten, und er starb, ohne erkennen zu können, daß alles zu Ende war. Carlo Benzoni wurde gefunden, als er, noch halb betäubt, über das Deck kroch, um sich irgendwo hochzuziehen. Hände griffen nach ihm, hoben ihn hoch und schleuderten ihn über die Reling ins Meer. Die Berührung mit dem Wasser machte ihn völlig wach, er begann mit den ersten zaghaften Schwimmbewegungen, aber da schossen von drei Seiten dunkle, schlanke Körper heran, und messerspitze Zähne gruben sich in seinen Körper. Er schrie auf, schlug um sich, der Schmerz, dieser einzige, unnennbare Schmerz, lebendig zerrissen und aufgefressen zu werden, ließ ihn aufbäumen, noch einmal schrie er auf, gräßlich, als wenn er den Himmel mit diesem Schrei spalten wollte … dann war nur noch ein blutiger Strudel um ihn, in dem er stückweise unterging.
Filippo an Backbord wurde ebenfalls überrascht. Auch er rauchte und gab damit die Richtung für die lautlosen Schatten an. Der erste Schrei Benzonis schreckte ihn auf, er wollte die Maschinenpistole hochreißen, aber wie riesige Fledermäuse fielen sie über ihn her und stürzten ihn über die Reling. Noch im Fall brüllte er seine Todesangst heraus, brüllte, als er auf das Meer aufschlug, brüllte, als die Haie auch auf ihn zuschossen, brüllte, bis sein Körper von den gierigen Mäulern zerfetzt wurde.
Allein der junge Tomaso Colezza entkam zunächst dem Überfall. Er hetzte von seinem Posten am Pool über Deck und wollte zur Brückentreppe, um dort mit White zusammenzutreffen. Er sah die Schatten über das Deck gleiten, begann aus der Hüfte zu feuern, rannte dann weiter, ging hinter der Treppe in Deckung, schoß um sich, weil er glaubte, überall diese katzengleichen, schwarzen, sich bewegenden Flecke zu sehen.
»Norman!« brüllte er. »Sie greifen an! Norman! Gib Carlo das Zeichen! Norman!«
Überall im Schiff flammten jetzt die Lichter auf. Meesters, Fritz Abels, andere Offiziere, ein Haufen Matrosen und Stewards stürmten an Deck. Sie wurden aus verschiedenen Richtungen unter Feuer genommen, fielen auf die Planken und rührten sich nicht.
»Drei Mann auf die Brücke!« schrie Sabah Salim. »Ali und zwei Mann zur Haupttreppe!«
Es war alles genau durchgesprochen. Noch bevor Hassan Mustafa mit einem wahren Panthersatz auf Colezza sprang, ihn zu Boden riß, den vor Entsetzen Gelähmten hoch über seinen Kopf hob und dann über Bord warf, hinein in das Hairudel, in das von blutgierigen Leibern sprudelnde Meer, fielen sieben dunkle Gestalten über Meesters und die Offiziere her, rissen sie weg, stießen sie die Treppe hinunter und warfen sie an die Wand im Foyer zum Salon I, dem sogenannten ›Roten
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