Haie an Bord
ritt, hielt sein weißes Hedschaskamel an und scherte aus der Reihe aus. Da Dr. Wolff keine Ahnung hatte, wie man ein in Trab geratenes Kamel wieder anhält, griff Salim zu und riß brutal an der Kopfleine.
»Wo wollen Sie denn hin?« rief er wütend.
»Zu Ihnen! Verdammt, legen Sie eine Rast ein! Was Sie tun, ist Mord. Frau Bertram fällt gleich aus dem Sattel.« Wolff drückte ein Taschentuch vor seinen Mund. Der feine Sandstaub, den er aufgewirbelt hatte, drang in jede Ritze, setzte sich auf der schwitzenden Haut als schmierige Schicht fest, füllte seinen Gaumen wie mit klebrigem Brei. »Sie können mit uns nicht stundenlang durch die Sonne reiten.«
»Ich kann.« Salim hob die Hand. Die Karawane hielt, von hinten kam Dr. Bender angeritten. Er schien einfach alles zu können; auch ein Kamel beherrschte er.
»Ich weiß, was Sie wollen, Wolff«, sagte er, als er aus der Staubwolke wieder auftauchte. »Aber hier zu rasten, ist das Blödeste, was man tun kann. Das einzige, was hilft, ist Bewegung, in der Sonne zu hocken, ist so, als wollten Sie sich zu einem Ziegelstein backen lassen. Glauben Sie mir, ich habe einige Jahre Orienterfahrung hinter mir.«
»Eve wird ohnmächtig!« stöhnte Wolff. »Die Hitze laugt sie aus. Das ist doch Mord!«
»Mord wäre es, jetzt auszuruhen. Blicken Sie mal nach oben!« Über ihnen kreisten wieder die Geier, niedriger als bisher, enger, die gebogenen Schnäbel geöffnet. »Die Mülleimer der Wüste warten«, sagte Dr. Bender. »Für sie sind wir ihr gedeckter Tisch, wir brauchen nur noch zu rufen: Es ist serviert! Nein! Wir müssen weiter! Im Notfall binden wir Eve auf ihrem Kamel fest …«
»Warum diese ganze Qual, wenn man uns doch töten will?« schrie Dr. Wolff.
»Das ist eine gute Frage.« Bender wandte sich zu Salim, der stumm, wie festgewachsen, in seinem mit einem Teppich belegten Holzsattel saß. »Wie lange reiten wir bis zu diesem Hissi Maksa?«
»Wenn wir nicht dauernd durch verweichlichte Europäer gestört werden, vier Tage.« Salim verzog sein braunes, gegerbtes Gesicht. McHolland ritt heran. Abels kümmerte sich um Eve, beugte sich zu ihr hinüber und stützte sie mit beiden Händen. Auch McHolland schien schon auf einem Kamel gesessen zu haben, wie er herankam, von Staub umwirbelt, die Pfeife im Mund, die Golfmütze auf den weißen Haaren, repräsentierte er das Urbild britischer Gelassenheit.
»Wer verhandelt während unserer Wüstentour eigentlich wegen unserer Auslösung?« rief er.
»Der Emir Hasna Mahmud al Rahman.«
»Du meine Güte! Da hängt auch noch ein Emir drin? Ein völlig neues Geiselgefühl. Wo kann man den hohen Herrn besichtigen?«
»In Hissi Maksa.« Salim hob den Arm. »Warum so viele Worte?«
»Da hat er recht.« Bender wendete sein Kamel, griff nach der Leine von Wolffs Tier und führte es mit. »Wir können uns in der nächsten Nacht noch warmreden …«
Die Karawane zog weiter. Der Himmel über ihnen wurde zu flüssigem Blei, die Sonne hatte jede Form verloren und war nur noch gelbes, auseinandergeflossenes Feuer. Die Wüste begann wieder steinig zu werden. Zuerst Geröll, dann Felsbrocken, die im Sand staken wie Stacheln. Dann rückten neue kahle, weißgraue, leblose Berge näher, der Boden wurde fest, die Hufe der Kamele klapperten wie Trommelwirbel.
Wolff nahm das alles kaum noch wahr. Er schaukelte an Eves Seite und wunderte sich, daß sie noch vorhanden war. Sie lag fast im Sattel, weit nach vorn gebeugt, dicke Stricke waren um Leib und Brust geschlungen … ein lebendes Paket, das weggetragen wurde. Es war die einzige Möglichkeit gewesen … Bender und Abels hatten Eve nach Angaben Salims so verschnürt und damit verhindert, daß sie aus dem Sattel rutschte.
In einem Felsental, in dem die heiße Luft wie in einem Backofen stand, hielt die Karawane an. Salim kam von der Spitze, betrachtete Eve und ritt wieder zurück. Laute, heisere Rufe ertönten, die Kamele knieten nieder, die Araber sprangen aus den Sätteln, als seien sie gerade erst aufgestiegen, große verschnürte Ballen rollten von den Lastkamelen über den Boden.
Niedrige schwarze Zelte, Teppiche, Filzmatten, verbeulte Kupferkessel, Holzplatten, Wassersäcke, Lederbeutel mit getrocknetem Fleisch und gemahlener Hirse.
Der erste Tag war zu Ende. Bender und Abels schnürten Eve auf und hoben sie aus dem Sattel, trugen sie wie eine zerbrochene Puppe etwas abseits und legten sie auf den ersten ausgerollten Teppich. Bender deckte ein schmutziges Tuch über ihren
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