Haie an Bord
Mustafa. Der alte Sanitäter nahm die leere Spritze ab, knallte die Hacken zusammen und gab sie an die stille Schwester hinter sich weiter. Dann hoben drei Araber, sauber und in weiße Dschellabas gekleidet, Fuad vom OP-Tisch und trugen ihn weg in den Bettenflügel.
»Kommen Sie, Oberleutnant!« sagte Emir Hasna Mahmud und klopfte Fritz Abels auf die Schulter. »Ich stelle Sie meiner Truppe vor. Fast alle können Englisch, es wird also nicht schwer sein, sie auszubilden. Ich zahle Ihnen sogar ein Gehalt: 200 arabische Pfund im Monat. Das ist nicht viel, aber wir sind ein armes Volk. Tote, wie ich schon sagte.«
»Und ich?« Lord McHolland steckte die trockene Pfeife wieder zwischen die Zähne. Als er Wolffs Blick auffing, steckte er sie schnell weg. Ich weiß, ich weiß, antworteten seine Augen, ein OP ist steril, da raucht man nicht. Aber gestehen Sie auch mir zu, einmal innerlich nervös zu sein.
»Soll ich über Hissi Maksa die Sterne zählen? Da bin ich bald durch, Emir.«
»Sie werden mir als Lehrer dienen, Lord«, Hasna Mahmud legte den mit blauer Seide gefütterten weißen Mantel ab. Ein Diener trug ihn weg wie einen Krönungspurpur. »Ich hatte wenig Zeit, mich um die Künste zu kümmern … ich mußte und muß Revolutionen machen. Aber ich liebe Literatur, Musik, Theater, Malerei. Und ich liebe ein geistreiches Gespräch. Dazu sind Sie da, Lord.«
»Auch für 200 arabische Pfund?«
»Nein. Umsonst.« Hasna lächelte breit. »Soweit bin ich schon zivilisiert, um zu wissen: Kunst und Geist werden am schlechtesten bezahlt.« Er wandte sich um zu Eve Bertram. Wolff und Abels traten einen Schritt auf sie zu, als wollten sie sich vor sie stellen.
Wolff atmete tief durch. Bleib da, Junge, dachte er. Das kann ich allein. Lehre du deine Guerillakrieger Grüßen und Marschieren, Sprung auf und Hinlegen … Eve ist allein meine Sache.
»Sie, schöne Frau –«, sagte Hasna Mahmud galant, »werden Dr. Wolff helfen wollen, nicht wahr? Bitte, tun Sie es. Aber wenn ich traurig bin und mich nur der Anblick einer schönen Frau erheitern kann, darf ich Sie rufen …«
»Ich werde kommen«, sagte Eve ruhig. »Gibt es hier keine hübschen Mädchen?«
»Ich habe neunzehn von ihnen.« Hasna Mahmud zeigte stolz irgendwohin. »Ein ganzes Liebeshaus habe ich für sie bauen lassen. Es ist der einzige Garten, in dem in Hissi Maksa ein Brunnen sprudelt.« Er machte ein paar schnelle Schritte auf Eve zu, griff mit beiden Händen in ihre Haare und schleuderte sie hoch. Wie ein Regen aus Seidenfäden fielen sie über seine Hände zurück. Wolff und Abels standen wie erstarrt. »Aber keine hat Haare, die aus Sonnenstrahlen geflochten sind …«
Er sah Eve mit seinen stechenden schwarzen Augen leidenschaftlich an, drehte sich dann um und verließ den OP.
»Man wird ihm eine Beruhigungsinjektion geben müssen«, sagte Dr. Bender trocken. »Der gute Junge kommt in einen argen Zwiespalt: Revolution oder schöne Frauen. Und überall wird er ausrutschen …«
»Es muß etwas geschehen!« sagte Wolff. Die Geiseln waren jetzt unter sich. Gamal Mustafa war noch im Bettentrakt bei Fuad, die kleine, fast schwarze Krankenschwester räumte die Instrumente weg in einen Sterilisationsapparat. Sie verstand sicherlich kein Deutsch. »Wir scheinen im Augenblick als ›lebende Tote mit besonderen Aufgaben‹ relativ sicher zu sein … nur Eve bleibt in ständiger Gefahr. Wir dürfen sie nie allein lassen. Dr. Bender, Lord McHolland … wenn ich irgendwie verhindert sein sollte …«
»Sie vergessen mich, Doktor«, sagte Abels mit harter Stimme.
»Truppenausbilden läßt wenig Freizeit, Abels.« Wolff und Abels sahen sich an. Und von diesem Augenblick an wußten sie, daß auch in einer Totenstadt keine Ruhe sein würde, wenn eine Frau wie Eve ständig bei ihnen war.
»Ich werde mir Zeit nehmen«, sagte Abels gepreßt.
»Es wird genau die Zeit sein, in der auch ich abkömmlich bin …«
»Ihr seid beide Idioten«, sagte Eve und lachte etwas gequält. »Um es ganz klar zu sagen: Ich liebe Bert!«
Fritz Abels wandte sich brüsk ab und verließ den OP.
»Ihm auch eine Spritze«, sagte Dr. Bender gemütlich. »Kriegt hier jeder einen Koller? Wie ist's mit Ihnen, Lord?«
»Ich sehne mich nach Whisky, einer guten Pfeife und der Times.«
»Damit sind Sie von uns allen am schlechtesten dran.« Bender lachte. »McHolland, machen Sie den Hintern frei: Sie bekommen eine Wunschlosmachen-Injektion …«
Sie lachten, aber es war ein Ton in dieser
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