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Haie an Bord

Haie an Bord

Titel: Haie an Bord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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üblich, daß man seinem Gast kein Haar krümmt. Aber wer weiß, ob die moderne Zeit, die gar keine Moral mehr kennt, nicht auch hier alles verwandelt hat. So einsam ist kein Fleck auf der Welt, daß nicht der Bazillus der Entwertung ihn erreichen könnte.«
    Emir Hasna Mahmud wartete, bis alle Geiseln auf dem Boden standen. Die hohen Palmen dämpften die glühende Sonne, sie warfen bizarre Schatten, aber auch hier stand die Hitze wie eine Wand, gegen die man mit jedem Atemzug anrannte.
    »Der Tisch ist gedeckt«, sagte Hasna. »Ein mageres Essen – aber wir leben von dem, was dieser Boden uns hier schenkt. Tretet ein …«
    Zwei finster blickende, mit Dolchen und Pistolen bewaffnete Krieger zeigten den Geiseln ihre Zimmer. Kleine vergitterte Kammern, seltsam kühl, aber mit soliden Gittern an den Fenstern und dicken Bohlentüren, die man nie mit dem Körper allein einrennen konnte. Aber es lagen nicht nur Teppiche auf dem festgestampften Boden, sondern für jeden Gast eine erhöhte Lagerstatt aus Brettern und einer Matratze aus Kuhfell, mit getrockneten und zerrupften Palmenblättern gefüllt.
    McHolland war natürlich nicht zufrieden und beschwerte sich. »Ich schlafe nie ohne Kopfkeil«, sagte er zu Hasna Mahmud, der seinem hohen Gefangenen selbst die Kammer zeigte. »Argumentieren Sie bloß nicht: Tote brauchen kein Keilkissen. Sie haben eins. In jedem vernünftigen Sarg liegt der Kopf erhöht. Emir, wenn ich flach liege, strömt mir das Blut in den Kopf, und das macht mich cholerisch. Ich bitte darum, daß …«
    »Sie bekommen einen Keil aus Holz«, sagte Hasna Mahmud ruhig. »Mit einem Ziegenfell darüber.«
    »Ich danke Ihnen.« McHolland sah den Emir verblüfft an. »Sie sind ein Gentleman, Sir –.« Von da an verzichtete er darauf, Hasna Mahmud zu provozieren.
    Das Essen war einfach, aber reichlich. Braten von Lämmern, Kuskus, dazu Datteln, Cossa (ein gurkenähnliches Gemüse), Kalauwi (gekochte Innereien mit Petersilie) und als größte Köstlichkeit Mahallabija, ein dicker Milchreis mit Zucker, Nüssen und Rosenöl. Dazu reichten zwei stumme, ebenfalls schwerbewaffnete Diener Schalen mit Karawanentee und Keramikbecher mit Tienschoke, einem süßlichen Getränk aus der Frucht einer Kaktee. Es schmeckte alles köstlich, aber bis auf den Tee und den Kakteensaft blieben die Schüsseln fast unberührt.
    Hasna Mahmud war nicht beleidigt, er verstand seine Gäste. Tote haben das Recht, keinen Appetit zu haben.
    »Ich bin Ihnen eine Erklärung schuldig«, sagte er, als man selbstgedrehte Zigaretten herumreichte. »Hissi Maksa ist die Stadt, in der Menschen wohnen, die von der Regierung verfolgt, gefoltert und getötet werden, wenn man ihrer habhaft wird. Wir alle hier« – er machte eine umfassende Handbewegung – »sind so tot wie Sie. Wir haben kein Recht, keine Freunde, keine Unterstützung, keine Heimat. Wir sind frei wie die Geier. Keine UNO kümmert sich um uns, keine Diplomatie, keine Menschenrechts-Charta, keine Schutzmacht. Da erfuhren wir von Ihrem schönen Schiff. Von den Menschen, die auf ihm herumfahren, von den berühmten Namen, um die sich die ganze Welt ganz sicher kümmern würde, wenn sie in Gefahr geraten. Sie staunen?« Hasna Mahmud lächelte traurig. »Ja wir haben hier eine Funkstation. Von Regierungstruppen, die wir überfallen haben. Wir wissen, was draußen in der Welt geschieht. Eine makabre Situation … viertausendneunundfünfzig Tote nehmen Anteil am Weltgeschehen. Jeden Tag lasse ich an neun Plätzen von Hissi Maksa durch Erzähler das Neueste berichten. Sie glauben gar nicht, wie intensiv diese Menschen hier auf diese Nachrichten lauschen. Sie wissen genau, was in Vietnam los ist, daß es durch Berlin eine Mauer gibt, daß China Europa und Europa China entdeckt hat, daß Rußland und Amerika um den Einfluß auf alle Völker kämpfen. Wir sind durstig nach diesen Nachrichten, denn jeden Tag wird uns bestätigt: Um uns kümmert sich niemand. Uns gibt es gar nicht. Wir sind tot.«
    Hasna Mahmud trank langsam einen Schluck Tee und sog dann an seiner Zigarette. McHolland wollte etwas sagen, aber dann sah man, wie er sich zwang, darauf zu verzichten.
    »Dann machten wir vor fünf Tagen die ganze Welt auf uns aufmerksam … aber es war ein Fehlschlag. Ich kam in die Mühle der Politik. Wenn die El Fatah Flugzeuge entführt und sprengt oder Geiseln erschießt, schreit diese Welt da draußen auf … aber sie tut nichts! Sie beruhigt ihr Gewissen mit einem billigen Trick: Es ist ja nur

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