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Haie an Bord

Haie an Bord

Titel: Haie an Bord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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– eine Bluttransfusion – war nicht möglich. Bender und Wolff kannten McHollands Blutgruppe nicht, und wenn man sie gewußt hätte, so fehlte alles, um gesundes Blut in ihn hineinzupumpen.
    McHolland lächelte Wolff an. Ein Lächeln, das zum Weinen reizte.
    »Sie haben das Wasser zurückgebracht?« fragte er.
    »Ja, Lord.« Wolff kniete neben Eve. Es sah aus, als knieten sie beide vor einem Altar.
    »Und Abels.«
    »Er hat die Giftkapsel geschluckt.«
    »Ein glücklicher Mensch.« McHolland tastete nach dem Holzstück, das ihm als Pfeifenersatz diente. Eve schob es ihm zwischen die Zähne. Man sah ihr an, wie mühsam sie die Tränen zurückhielt. Sie wollte nicht weinen … McHolland hatte es ihr verboten, als feststand, daß es für ihn keine Rettung mehr gab.
    »Seit ich denken kann, hatte ich eine Pfeife«, sagte er schwach. »Erinnern Sie sich an meine Worte, Wolff: Wenn ich keine Pfeife mehr habe, ist's zu Ende. Zum erstenmal hat mich meine Pfeife jetzt verlassen … und schon ist's aus.«
    Wolff tastete nach McHollands Puls. Er ging schwach, stockend, ein Puls, der keine Kraft mehr hatte, weil jeder Herzschlag das Blut irgendwohin pumpte, nur nicht mehr in die Adern. Der ganze Körper fühlte sich kalt, wie tot an … nur an der Hüfte war es fiebrig warm. Um das Becken herum hatte sich ein riesiges, blauschimmerndes Hämatom gebildet.
    Das Gesicht des Todes.
    »Er hat bis jetzt zwei Pfund Kamelbutter gegessen …«, sagte Bender.
    »Scheußlich!« rief McHolland. »Ranzig wie Fußlappen nach einem 100-Meilen-Marsch. Als wenn das etwas hilft –.«
    »Es war das Mittel der Verzweiflung, Lord.« Bender kniete nun auch neben ihm. McHolland sah sie alle an. Über sein vergehendes Gesicht zuckte es.
    »Was singen wir jetzt?« fragte er mit seinem letzten, zusammengekratzten Spott. »Gibt es einen Choral über einen alten Sünder?«
    »Ich kenne nur den Bonifatius Kiesewetter«, sagte Bender dumpf. »Aber der ist meines Wissens kein richtiger Abgesang, Lord. Doch ich weiß etwas anderes …«
    »Da bin ich gespannt …«
    »Wir ziehen heute früh los, noch vor dem Morgengrauen. Und Sie mit. Wir bauen Ihnen eine schöne Trage, die wir auf einem Kamel festbinden. In drei Tagen haben wir Haraym erreicht.«
    »Da stehe ich schon in regen Verhandlungen mit Petrus. Bender, warum lügen Sie so infam, ohne sich zu schämen?« McHolland drückte Eves Hand. »Sie ist ehrlicher. Nicht wahr, Eve? In Ihren Augen lese ich alles, was diese Burschen mir da wegreden wollen.«
    Eve wandte den Kopf zur Seite und begann nun doch zu weinen. Dr. Bender kaute an der Unterlippe. Er dachte an sein eigenes nahes Ende, und es war kein schöner Gedanke.
    »Ich friere –«, sagte McHolland plötzlich. Er lag unter allen verfügbaren Decken und hätte dampfen müssen. »Ist der Tod immer kalt, Doktor?«
    »Ich weiß es nicht.« Bender legte die alte Golfmütze über McHollands weiße Haare. »Es ist noch keiner zurückgekommen, um das zu berichten.«
    »Dann wissen Sie es jetzt von mir. In den Beinen und Armen bin ich schon tot. Nur das verfluchte Gehirn ist munter wie immer.« Er wandte den Kopf zu Eve. »Denk an den Zettel in der Mütze, Mädchen …«
    »Sie leben weiter!« schrie Eve voller Qual. Dieses bewußte Sterben war nicht mehr auszuhalten. »Sie leben weiter!«
    »Wolff, das wird eine gute Arztfrau.«
    McHolland nickte Wolff zu. Er sah schaurig aus, eine nickende Kindermumie.
    »Aus dem Himmel mache ich Ihnen Schwierigkeiten, wenn Sie Eve jemals enttäuschen! Sie müssen sie immer lieben –.«
    »Solange ich lebe, Lord.« Wolff betrachtete McHollands Augen. Sie trübten sich … das Koma stand nahe bevor. Bis zum Morgengrauen wird es nicht mehr dauern, dachte er. Das ist die einzige Gnade des Sterbens … in den letzten Minuten schaltet der Geist ab. Aber dann ist man allein, so grenzenlos allein wie die Weite, in die man hineingleitet.
    Nach einer Stunde starb McHolland. Es war ein Sterben voller Frieden. Als ein neuer Schmerzanfall sich ankündigte, spritzte Bender noch ein Schmerzmittel. In dieser Seligkeit der Befreiung blieb McHolland … er hörte mit Atmen auf, ein Lächeln auf den von der Sonne und dem Flugsand zerrissenen Lippen.
    »Amen!« sagte Bender leise. Es war ihm ehrlich damit. Er konnte sich nicht erinnern, wann er dieses Wort zuletzt gesagt hatte.
    Er drückte McHolland die Augen zu und zog eine Decke über die langgestreckte Gestalt. Wolff hatte Eve an sich gedrückt … sie weinte wie ein kleines Kind,

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