Haie an Bord
schrie Abels wieder. »Eine Woche spielend!«
»Eine Woche schutzlos in der Sonne? Du bist verrückt!« rief Wolff. »In spätestens drei Tagen eitert die Wunde …«
»Wir werden es schneller beenden, du hast recht.« Abels schien etwas vorzubereiten. Seine Todesangst, sein irrer Wille, als einziger zu überleben, regten in ihm eine höllische Phantasie an.
Verblüfft, dann aber mit knirschenden Zähnen sah Wolff, wie das Lastkamel durch schrille Schreie aufgescheucht wurde, sich erhob und zu dem toten Reittier hinüberglotzte.
»Es ist aus, Wolff!« brüllte Abels. »Ich habe dich gewarnt. Ich habe dir deutlich gesagt: Laß mich in Ruhe! Was ihr da mit diesem McHolland anstellt, widerspricht aller Vernunft. Es mag vielleicht ärztlich zu vertreten sein, aber nicht mehr in unserer Lage. Wer das nicht einsehen will, muß verrecken! Nicht ich opfere Eve, sondern du! Dein Humanitätsfimmel wird zum Mörder. Hier diktiert die Wüste, Wolff, aber nicht die Menschlichkeit.«
Auch das Reitkamel erhob sich jetzt. Vergeblich suchte Wolff Abels am Boden … er mußte sich seitlich an dem Kamel festgeschnallt haben und hing nun in sicherer Deckung. Eine geradezu artistische Leistung, wie man sie sonst nur im Zirkus sieht, wenn die Kosaken, neben ihrem Pferd hängend, durch die Manege galoppieren.
»Was nun?« hörte Wolff die irre Stimme von Abels. »Schießt du auf die Kamele? Dann bleiben wir zwei übrig mit dem Wasser und können uns anspucken, bis zum Ende. Aber zu Eve kommt kein Tropfen … du brauchst das Wasser und die Kamele! Schieß doch, schieß!«
»Du Mistkerl!« sagte Wolff erschüttert.
»Es ist gleich vorbei.« Abels lachte laut. »Ich reite dich um. Wie willst du mich aufhalten? Auf die Kamele schießen kannst du nicht … also stirb, du Idiot!«
Durch Wolff rann es eiskalt. Die letzte Phase des Zweikampfes war gekommen, die letzte Entscheidung – nicht nur für sich und Abels, sondern auch für die, die dort hinten weit in der Ferne, zwischen zwei großen Sanddünen, auf ihn warteten.
Eve, dachte er. Mein Gott, Eve … du wirst verdursten. Es ist einer der fürchterlichsten Tode, der langwierigsten, der Tod, der mit grausamer Klarheit das eigene Sterben miterleben läßt.
Eve, nimm, wenn du merkst, daß du wahnsinnig wirst vor Durst, die Giftkapsel. Nimm sie. Bender, drück sie ihr zwischen die Zähne, wenn sie nicht will. Erspare ihr die letzte Stunde dieses grausamsten allen Sterbens.
Eve … es war eine kurze, aber herrliche Zeit mit uns …
Abels wilde Schreie trieben die Kamele an. Zuerst widerwillig, dann aber durch Hiebe und das anfeuernde Gebrüll aufgescheucht, fielen sie in einen langsamen Galopp. Wolff wußte, daß sie alles niedertreten würden, was sich ihnen in den Weg stellte. Eine blödsinnige Erinnerung tauchte in ihm auf, gerade jetzt … die Schulzeit, Geschichte bei Dr. Hombruch, die Perserreiche, die berühmte Kamelschlacht des Königs Cyrus … diese Wand aus dumpf brüllenden Woll-Leibern. Hier waren es nur zwei, aber sie genügten für einen einzigen, einsamen, müden, ausgelaugten Mann, der nicht schießen durfte, weil er diese Kamele noch brauchte … wenn er überleben wollte.
Abels schoß unter dem Bauch seines Reittiers hervor auf Wolffs Burg aus Sand und totem, in der Sonne aufquellendem Kamel. Verwesungsgeruch strömte schon durch das Fell. Die Wüste räumte schnell auf. Wann erschienen die ersten Geier mit ihrem über weite Fernen rätselhaften Instinkt für Aas?
»Haja!« brüllte Abels. »Hui! Hui! Heij …«
Er schoß wieder, die Kamele verfielen in Kampfstimmung und rasten auf Wolff zu.
In diesem Augenblick sah Wolff das Stück eines Beines unter der Bauchwölbung. Das Knie, dann der Unterschenkel … Abels hing an der Seite in verschiedenen Schlingen, er war bei dem Galopp mit einem Bein herausgerutscht.
Wolff riß das Gewehr hoch und zielte kurz. Es war ein schwankendes Ziel, von Sand umwirbelt, und er hatte kaum eine Chance, es zu treffen, höchstens das Kamel.
Er zog den Drücker durch, der Schuß peitschte, drüben fiel etwas in den Sand, die Kamele rasten weiter, Wolff drückte sich eng an sein totes Tier und schloß die Augen.
Die brüllenden Leiber galoppierten nahe an ihm vorbei, überschütteten ihn mit Sandwellen und dröhnten dann weiter.
Der Zweikampf war entschieden. Und es war kein Sieg, der Wolff freute.
Abels lag im Sand, auf dem Rücken, die Hände um sein Bein gekrallt. Mit letzter Kraft schwankte Wolff zu ihm und kniete bei ihm
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