Halb verliebt ist voll daneben - Roman
Pullover zusammenzulegen.
Ich schaute mir eins der Kleider genauer an und blieb dabei am Preisschild hängen. Vier Ziffern standen darauf!
»Rachel!«
»Ich habe Krebs«, sagte sie achselzuckend.
»Lass das, Lance!« Das war mein neuer Name für sie, nach Lance Armstrong.
Ich tat wie mir geheißen und ging in eine der Umkleidekabinen. Ich zog mich bis auf meine Primark-Unterwäsche aus und schlüpfte in das marineblaue Kleid. Als ich aus der Umkleide kam, saß Rachel in einem großen Sessel vor mir, den Kopf in den Händen. Ich beobachtete sie ein paar Sekunden lang.
»Auf ganz unmitleidige Weise habe ich mich nur gefragt, ob du okay bist«, sprach ich sie sanft an.
»Auf wirklich nicht in Selbstmitleid badende Weise, ich weiß nicht«, antwortete sie, ihr Gesicht weiter in ihren Händen vergrabend.
»Möchtest du vielleicht eine wirklich mitleidfreie Umarmung? «
»Ja, aber bitte ganz sanft auf dieser Brustseite, denn das ist qualvoll.« Sie blickte hoch. »Sarah! O mein Gott. Das muss ich dir kaufen. Du siehst … wunderschön aus.«
Sie erhob sich. Ich öffnete meine Arme und wir umarmten uns sanft. Wir verweilten lange in dieser Position. Ich glaubte, Rachel »Ich danke dir« in mein Haar sagen zu hören, aber ich erwiderte nichts darauf und hörte
auch von ihr nichts mehr. Dann kam ein Song aus den Lautsprechern, der sich anhörte, als würde der Sänger singen »Fuck the pain away«, was uns zum Lachen brachte. Und ich sagte dann mit komischer Stimme: »Würde ich nicht tun«, worauf sie noch mal »Ich danke dir« sagte und dies mit so belegter Stimme, dass ich sie einfach noch eine Weile festhielt.
»So, jetzt lass uns das Kleid bezahlen, danach möchte ich mit dir in den Buchladen«, sagte sie schließlich.
»Buchladen. Wozu?«
»Ich möchte dir ein Buch kaufen. Es trägt den Titel: Hol dir die Liebe deines Lebens zurück .
66
Dieser Tag veränderte alles. Ich begann, andere Dinge zu tun. Seltsame Dinge. Das erste dieser Art am folgenden Tag. Ich ging mit einem Paket unterm Arm zum Postamt von Santa Monica. Es war ein helles, luftiges Gebäude, in dem es ganz ruhig zuging, ganz anders als im Postamt von Camden, wo es schon mal eine Schlange gab, die aus der Tür raus bis hoch zur Camden High Street führte. Was ich beeindruckend fand, denn es war drinnen so groß wie ein Medienmarkt, und wir hatten noch nicht mal Weihnachten. Ich fand Spaß daran, die anderen in der Schlange Wartenden damit zu ärgern, dass ich Vermutungen anstellte, welcher der Schalter wohl als Nächster frei wurde und verkündete dann vor dem automatischen
Ansagesystem: »Schalter Nummer 7, bitte«. So leicht kann man mir eine Freude machen.
Wenn man ein Päckchen mit der Post verschickt, erwartet der Empfänger gemeinhin etwas Erfreuliches. Er denkt: Ach, wie wunderbar, ein Päckchen. Jemand denkt an mich und hat mir ein Geschenk gekauft, und wenn er es dann aufreißt, ruft er: Oh, das wäre doch nicht nötig gewesen! Das ist aber nett. In diesem Fall jedoch rechnete ich damit, dass die Empfänger, wenn sie es öffneten, die Gesichter verzögen und dann traurig sagten: O Scheiße.
Womit ich nicht den Eindruck der Grausamkeit erwecken möchte. Mein Päckchen wurde mit einer Warnung verschickt. Ich hatte ein handgeschriebenes Post-it draufgeklebt, auf dem stand: Es tut mir leid. Ich bin ein Idiot. Aber ich musste es tun, was ich unter den gegebenen Umständen sehr prägnant fand. Das Päckchen war für Simon. Für meinen Simon. Es war verdammt schwer, ihn nicht mehr als meinen Simon zu sehen. Er war nicht mehr mein Simon. Er war der von Ruth. Und indem ich dieses Päckchen schickte, gab ich ihn frei. Hoffte ich. In diesem Päckchen befanden sich alle mit Simon in Verbindung stehenden Kleinigkeiten, die ich besaß, und eine Notiz. Ich hielt also in Luftpolsterfolie eingewickelt Folgendes in der Hand: die Zeitungsanzeige für den Workshop Wie man aufhört ein verrückter Freak zu sein , den Umschlag des Buches The Secret (das ganze Buch zu schicken, wäre zu teuer geworden, und ich war mir auch nicht sicher, ob die hungernde Bedienung es nicht zurückhaben wollte), den Umschlag des Buches Hol dir die Liebe deines Lebens zurück , Ruths Packung Verhütungsmittel, das Nacktfoto von Ruth mit der »Komm-rein-und-mach-die-Beine-breit«-Notiz,
komplett mit Tesafilm auf der Rückseite, und folgende Nachricht:
Lieber Simon,
gleich vorweg, es tut mir leid. Es tut mir sehr leid. Leid, dass ich nicht die Person war, die ich Deiner
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