Halb verliebt ist voll daneben - Roman
persönliche Methode, dagegen vorzugehen, wäre eine Mastektomie, die sobald wie möglich erfolgen sollte. Unmittelbar darauf folgt eine Chemotherapie. Es geht darum, eine Streuung in die Lymphknoten und die anderen Organe zu verhindern, sofern nicht bereits geschehen. Mir ist klar, dass das für Sie ein gewaltiger Schock
ist, aber auf der positiven Seite steht, dass Sie hier in besten Händen sind.«
Ich sah zu Rachel, sie starrte den Arzt an. Er reagierte darauf mit einem langsamen mitfühlenden Arztkopfnicken. Im Raum war es totenstill, bis ich anfing, geräuschvoll durch meine Nase zu atmen. Mir war danach, auf was einzuschlagen. Rachel war erst zweiunddreißig. Was nicht heißen soll, dass es für Leute, die noch älter sind, nicht auch schlimm ist. Aber sie war erst zweiunddreißig. Und machte jeden Tag Yoga. Es war einfach nicht richtig.
»Scheiße«, sagte ich. »Verzeihung, ich wollte das nicht laut sagen.«
Rachel fing zu lachen an.
»Meine Freundin Sarah findet in jeder Situation die richtigen Worte. Ja. Scheiße. Scheiße. Scheiße. Scheiße …«
Ich glaube, Mr. Burns war ein wenig in Sorge, Rachel würde nie mehr damit aufhören, aber es gelang ihm, den Scheißeschwall zu beenden, indem er sagte: »Bin ganz Ihrer Meinung.«
»Scheiße«, sagte Rachel noch einmal, aber das war’s dann.
»Wie schon gesagt, Sie sind hier in besten Händen«, nickte Mr. Burns.
Rachel sah ihn blinzelnd an.
»Nun denn, Tumor-Team, lasst uns diesen Mistkerl bekämpfen«, sagte ich.
Ich zucke noch immer zusammen, wenn ich daran denke, dass ich das tatsächlich gesagt habe.
65
Rachel rief weder Eamonn noch ihre Mum an, und sie vergoss auch keine Träne. Aber sie brach in ein Wutgeheul aus. Etwas Derartiges habe ich noch nicht erlebt. Diese Wut hätte die Stromversorgung des Landes sicherstellen können.
Sie wollte nicht nach Hause. Sie wollte shoppen gehen. Also suchten wir eine edle Kleiderboutique auf. Ich habe mir weder den Namen noch den Ort gemerkt. Sie erinnerte mich an Fenwick, nur dass ich mir bei Fenwick auch ein oder zwei Sachen hätte leisten können. Diese Preise allerdings sprengten jegliches Budget, das ich nie im Leben besessen hatte. Rachel schlenderte durch den Laden, berührte hier und da Designerklamotten und murmelte dazu immer und immer wieder: »Mein blöder Körper, mein blöder Körper, ich habe so sehr darauf geachtet, und was macht er jetzt?«
»Möchtest du irgendwo hingehen und reden, Rachel?«, sprach ich sie leise an, als sie gerade einen Ledergürtel ausrollte, den sie sich um ihre Faust gewickelt hatte.
»Nein, nein. Ich möchte dir ein Geschenk machen!«
»Du brauchst mir kein Geschenk zu machen, Rachel.«
»Lass mich!«
»Nein.«
»Ich werde dir ein Kleid kaufen, das du auf Dolphs Party anziehen kannst.«
»Aber Rachel …«
»Ich habe Krebs, widersprich mir nicht.«
»Oh, ich sehe schon, was uns da erwartet.«
»Genau, besser du gewöhnst dich gleich jetzt daran.«
»Ich werde alles tun, was du willst, nur nicht wieder die Stripteasenummer.«
»Hervorragend, denn ich will kein Mitleid, verstanden? « Sie hielt inne und schluckte, bevor sie fortfuhr: »Bitte. Kein. Mitleid. Wir können uns hin und wieder umarmen. Aber mehr auch nicht. Kein ›arme Rachel‹. Okay? Ist das klar? Kein verdammtes Mitleid.«
»Als ob ich Mitleid mit dir hätte. Du wirst dieses Miststück besiegen.« Ich habe keine Ahnung, woher ich plötzlich diese Hip-Hop-Sprache hatte. »Du hast Krebs. Sieh zu, dass du lebst. Wir schlagen ihn. Wir schlagen ihn zu Brei«, rappte ich. Was sollte man in so einem Fall auch sagen? »Wir schlagen ihn. Wir schlagen ihn zu Brei. Wirklich genial.«
»Probier das an. Und das.«
»Rachel!«
»Mach’s einfach!«
Sie warf mir zwei wunderschöne Kleider zu. Eins war aus marineblauer Seide und lang mit Nackenträger und tiefem Rückenausschnitt, das andere war dunkelrot, kürzer, hatte schmale Träger und eine geraffte Taille.
Eine junge Verkäuferin näherte sich uns.
»Wie kommen Sie zurecht?«, erkundigte sie sich in einer besonders hohen Tonlage. »Kann ich Ihnen helfen?«
»Ja«, schnauzte Rachel. »Ich habe Krebs, und meine Freundin hier …«
»Oh, das tut mir aber leid«, sprudelte es aus der Frau heraus.
»Mir tut es nicht leid. Ich bin wütend!«, belferte Rachel sie an.
»Oh.«
»Wir kommen zurecht, danke«, fügte sie hinzu.
»Rufen Sie mich, wenn Sie mich brauchen«, flüsterte die junge Frau und huschte dann davon, um geschäftig ein paar
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