Halb verliebt ist voll daneben - Roman
Schauspielerin wird zugeben, dass es einige Produkte gibt, bei deren Bewerbung man sich nicht wohlfühlt: Abführmittel, superflauschiges Klopapier, weibliche Deodorants für die allerheftigsten Gerüche – Sie verstehen, was ich meine. Ich kann mit Gewissheit behaupten, dass die meisten Schauspielerinnen sich gesträubt hätten, das Gesicht einer Erektionsstörung zu werden. Da es dabei jedoch um das Geschäft meines Freundes ging, saß ich da und blies Trübsal wegen einer Gurke. Ich konnte nur hoffen, dass mein Agent nie dahinterkam. Außerdem wusste ich, ich wusste es einfach, dass dieses Produkt ein Blindgänger war, und das Einzige, was noch schlimmer wäre, als das Gesicht von Viagra zu sein, wäre, das Gesicht eines Viagra-Schwindels zu sein. Die Männer im ganzen Land würden mich persönlich für ihre schlafenden Hunde verantwortlich machen.
Ich versuchte, meine Vorbehalte beiseitezuschieben. Wenn ich schon in einer Viagra-Werbung mitwirkte, dann konnte ich die auch gut machen. Zum Glück war es nur ein kurzer Spot und binnen dreißig Sekunden stand die Gurke aufrecht und tanzte und ich umklammerte liebevoll das Lümmelconga-Päckchen.
»Verdammt gut«, rief Simon und sprang auf. Er riss mir das Päckchen aus der Hand. »Wie wär’s mit einem süßen Nachtisch?«
»Ich wusste gar nicht, dass wir Schokolade im Haus haben«, sagte ich unschuldig.
Dann sah ich Simon an, und mir wurde klar, dass er überhaupt nicht von Schokolade sprach. Er steckte sich eine Lümmelconga-Tablette in den Mund und hielt auch Carlos eine hin.
»It’s Lümmelconga night!«, kicherte Julia zur Melodie des Conga Songs.
Ich kicherte nicht. Nachdem Julia und Carlos gegangen waren, machte ich mich bettfertig. Dann wartete ich, bis Simon ins Bad gegangen war, um sich die Zähne zu putzen. Ich fischte das iPhone aus seiner Jeanstasche. Eine Zweitkarriere als Privatdetektivin hatte ich schon immer verlockend gefunden. Doch ich änderte meine Meinung, als die glatte Apple Oberfläche meinen zitternden Fingern entglitt und auf meinen Fuß fiel.
»Autsch!«
»Alles in Ordnung mit dir, Sare?«, rief Simon, den Mund voller Zahnpasta.
»Ja«, erwiderte ich. »Hab mir den Zeh angestoßen.«
Ich hob das Handy auf. Es war mit meinem nicht zu vergleichen. Mein Herz pochte so heftig in meiner Brust, dass es mich nicht gewundert hätte, wenn der Dienst für Erdbebengefahr aktiviert worden wäre. Ich entdeckte seine Anrufliste. Der Anruf, den er lautlos gestellt hatte, kam von Ruth. Und es war ihre Nummer, die unter »Letzter Anruf« gespeichert war.
31
Mir war klar, dass Lümmelconga wirkungslos blieb. Das lag auf der Hand. Es gab ein altes Sprichwort: Ist Paranoid-Jay mit im Boot, steuert man direkt auf die Katastrophe zu. Simon bekam Panik, aber mich hatten Ruths Anrufe so verwirrt, dass ich ihn nicht zu trösten vermochte. Ich ging zu Bett, kehrte ihm den Rücken zu und gab vor zu schlafen. Ich bekam mit, wie er frühmorgens aufstand und Jay verfluchte, darauf eine weitere Tablette schluckte, um zu sehen, ob eine Erhöhung der Dosis half. Etwa eine Stunde später nahm er noch eine dritte. Offenbar schlief ich danach ein, denn ich wurde erst um kurz nach elf wieder wach und war ziemlich groggy. Simon lag auf dem Rücken und starrte an die Decke. Sofort gerieten wir wieder in Streit.
»O Mist, es ist spät«, sagte ich verschlafen.
»Hm«, brummte er mit steinerner Miene.
»Mum und Dad werden kurz vor zwölf hier sein«, sagte ich, aber dann fiel mir ein, dass ich die Verabredung mit meinen Eltern zum Mittagessen Simon gegenüber bisher unerwähnt gelassen hatte.
»WAS?«, sagte er, als befände er sich in einem schwankenden Boot auf stürmischer See.
»Tut mir leid«, sagte ich kleinlaut, »hab ich vergessen, dir zu sagen. Wir waren so sehr mit Streiten beschäftigt, dass keine Zeit für Terminabsprachen blieb.«
»Unfassbar, dass du das gleich zweimal getan hast.«
»Es sind meine Eltern!«
»Und was ist hiermit?« Simon deutete auf den mit Viagra-Schachteln vollgepackten Raum.
»Bin ich jetzt etwa daran schuld, dass du dich auf den großen Viagra-Schwindel eingelassen hast?«
Ich stieg aus dem Bett, stolperte durchs Zimmer, bis ich endlich Simons roten Kapuzenpullover fand. Den streifte ich über.
»Äh … Sare.«
»Hm«, sagte ich und drehte mich zu ihm um.
Er hatte die Bettdecke zurückgeworfen. Da stand doch tatsächlich etwas stramm.
»O verdammt. Wann ist das passiert?«
»Vor etwa zwei
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