Halb verliebt ist voll daneben - Roman
auf und begann meine Skriptseiten von Miles’ Schreibtisch einzusammeln.
»Ach, lassen Sie die doch hier, dann müssen Sie sie nicht jeden Tag wieder mitbringen.«
Ich nickte. Ich hatte noch eine Kopie im Hotel.
»Danke, Miles. Dann sehen wir uns morgen.«
Ich wollte Miles’ Büro nur ungern verlassen. Hätte ich gewusst, dass Leo die Stunde nach mir hatte, hätte ich mich geschminkt. Ich sah so ungepflegt aus. Ich trug eine Pyjamahose, ein Westenoberteil und eine Decke, die ich aus dem Flugzeug hatte mitgehen lassen, als Schal. Meine Haare waren ungekämmt, ich hatte sie ohne Spiegel einfach zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Ich überlegte, ob es Miles Mavers wohl etwas ausmachte, wenn ich durch den Garten verschwand. Doch fragen wollte ich ihn nicht. Also setzte ich ein Lächeln auf. Es fühlte sich auf meinem Gesicht nicht wohl.
Ich ging hinaus in den Flur, aber da war keiner. Ich stürzte zur Eingangstür und öffnete sie. Ich hatte schon einen Fuß hinausgesetzt, als …
»Sarah!«
Ich wirbelte herum, da kam Leo aus Richtung Küche angeschlendert. Er hielt ein Sandwich in der Hand, und Tinkerbell tänzelte auf Spitzenschuhen hinter ihm her. Er bekam also Sandwiches angeboten. Ich musste Wasser holen.
Leo trug Shorts, ein Sweatshirt und einen schwarzen Wollhut. Eigentlich brauchte man im Tropenklima Kaliforniens nie einen Wollhut. Aber er stand ihm gut. Er sah sexy aus, viel zu sexy, um ihn anzuschauen, also schaute
ich zu Boden. Ich war einem Mann begegnet, der zu sexy für seinen Hut war.
»Hi, Leo. Wie geht’s?«
»Gut. Wie war’s in England?«
Schauderhaft. Vermutlich die schlimmste Zeit meines Lebens.
»Wunderbar, danke.«
»Sarah, ich hab mir überlegt, ob wir uns nicht zusammentun sollten.«
»Inwiefern?«
»Um unsere Szene zu proben.«
Chelsea hatte ihre Spitzen – in Steppschuhe getauscht und begann lautstark den Time Step oder Time Warp oder sonst irgendwas zu steppen. Wir schauten sie beide an.
»Oh, entschuldige Chelsea. Das machst du toll«, sagte Leo. Sie strahlte und hörte zu steppen auf. Dann wandte Leo sich an mich. »Chelsea liest mit mir in meinen Stunden bei Miles.«
Blöde Kuh.
»Wie reizend.«
»Hast du meine SMS bekommen?«
»Ja, ja, habe ich, tut mir leid, dass ich nicht geantwortet habe. Ich war in den letzten Tagen einfach vom Jetlag völlig daneben.«
»Macht nichts. Aber wenn du irgendwann proben möchtest …«
Ich lächelte.
»Das würde ich sehr gern, Leo.«
50
Es gab einfach zu vieles, was mich an den Mann erinnerte, den ich verloren hatte: Bananen, Hühnchen, Neoprenanzüge, Kameras, Fußballklamotten, Bobby Davro (es ist schon unglaublich, wie oft dieser Komiker auftaucht, wenn man am Boden ist), Badezimmer, bequeme Trainingshosen, Viagra, das Internet, Songs, in denen »Love« vorkam, Wohltätigkeitseinrichtungen, Leute, die Sport trieben, Paare, die sich küssten, Paare, die sich nicht küssten, alte Paare, junge Paare, Paare unbestimmten Alters, Paare, die glücklich aussahen, Paare, die einander eindeutig hassten, alleinstehende Frauen, verrückte alte Frauen, Kinder, Schulen, Buggys, Spielsachen, Schwangere, Telefone, Männer, ins Bett gehen, aufwachen und überlegen.
Es wurde nicht besser. Die Nächte waren das Schlimmste. Ich war froh um die Zeitdifferenz, so konnte ich wenigstens mit Jules skypen.
»Er hat nicht zurückgeschrieben!«
»Wie viele hast du geschickt?«
»Drei!«
Die dritte SMS schickte ich vierundzwanzig Stunden nach der letzten. Darin stand: Ich wünschte, du würdest antworten. Bitte. Ich fühle mich wirklich im Keller. X
Rachel hätte mich umgebracht, wenn sie dahintergekommen wäre.
»Oh.«
»Was soll ich machen?«
»Gib ihm seinen Freiraum. Ich dachte, er wollte Freiraum. «
»Den kann ich ihm nicht geben!«
»Mein Gott, Sare, du wirst noch verrückt.«
»Danke, Jules.«
»Also gut. Er hat deine Nachrichten ignoriert.«
»Ja, ja, reib’s mir auch noch unter die Nase! Ich weiß, dass er meine Nachrichten ignoriert hat.«
»Ich versuche nachzudenken, Sarah. Hör auf zu jammern. «
»Okay.«
»Genau, da ist etwas, das wir tun könnten, aber du musst in der richtigen geistigen Verfassung dafür sein.«
»In was für einer geistigen Verfassung soll ich denn deines Erachtens sein?«
»Na ja, du solltest bei gesundem Verstand sein.«
»Jules, ich bin bei Verstand.«
»Gut, dann sorg dafür, dass du dich beruhigst, atmest, über was anderes sprichst als über Simon und deine Textnachrichten, und ich
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