Halbe Leichen (Ein Lisa Becker Krimi) (German Edition)
„Guter Bulle – Böser Bulle“, denn einschüchtern ließen sich professionelle Ganoven von der Polizei sowieso nicht mehr.
„ Danke“, sagte Sven und lächelte nett. „Hab ich aus Kambodscha mitgebracht. War gar nicht so leicht, das Ding durch den Zoll zu schmuggeln.“
„ Du hast dir in Kambodscha ein Schwert besorgt, um hier in Deutschland Leute zu köpfen?“
Lisa hatte nicht vorgehabt, so schnell zum Thema des Abends vorzustoßen. Es kam ihr unprofessionell vor. Aber wie ein Profi fühlte sie sich ja sowieso nie. Sven jedenfalls fand ihre Frage offenbar äußerst komisch, denn er lachte.
„ Nein, nein“, kicherte er dann, „das Schwert hab ich mir dort gekauft, als ich Rucksacktourist war, vor fünfzehn Jahren. Ich fand es cool. Schusswaffen sind das Letzte, aber so eine Hiebwaffe ist ehrlich und viel fairer. Schießen kann jeder Depp.“
Lisa fand das gar nicht lustig. „Jemandem, der friedlich schläft, den Kopf abhauen - das kann auch jeder.“
„ Sicher“, gab Sven zu, „aber wie viele Leute tun es?“
„ Ich kenne einen.“
„ Vielleicht gibt es bald mehr.“
Lisa war sofort alarmiert. „Wie meinst du das? Warst du nicht allein dabei?“
Sven grinste wieder. „Doch, doch, Lisa. Mach dir keine Sorgen, du hast deinen Mann geschnappt. Du kannst stolz auf dich sein. Wobei man natürlich auch sagen könnte, dass du auch ein bisschen schneller hättest drauf kommen können, immerhin wohnen wir im selben Haus und kennen uns lange.“
„ Gerade darum bin ich eben nicht drauf gekommen“, erwiderte sie trotzig. „Ich dachte eben, ich kenne dich. Dachte, du wärst, ein friedliebender, anständiger Mensch.“
„ Hey, das bin ich auch!“
Lisa wollte schon auflachen, aber Sven sah sie todernst an. „Und bitte behaupte nicht das Gegenteil“, fügte er hinzu.
„ Du hast vier Menschen umgebracht“, sagte Lisa wütend, „und zwar auf brutale, grausame Art und Weise.“
„ Was soll das heißen, grausam?“ fragte Sven empört. „Die haben alle vier nichts gespürt, nichts mitgekriegt. Das Schwert ist scharf wie ein Rasiermesser. Ein einziger Hieb hat genügt. Ich bin nicht grausam, klar? Die haben verdient, was sie gekriegt haben, aber ich weide mich nicht am Leid anderer Menschen, so wie die.“
„ Du bist echt ein netter Kerl.“
„ Ist doch wahr. Krumm hatte kein Mitleid mit einer vergewaltigten Frau. Sander machte es Spaß, die Existenz anderer Menschen zu zerstören. Fechner war geistiger Brandstifter für Attentate, bei denen unschuldige Menschen ums Leben kamen, und es tat ihm nicht einmal leid. Und zu unserem gemeinsamen Freund in Reinickendorf muss ich ja wohl nichts sagen.“
Lisa blickte wieder zu dem Schwert, auf dem das Blut trocknete. Sie musste versuchen, ihre Gefühle in den Griff zu kriegen. Wut. Schuldgefühle. Ekel. Und aufkeimende Angst.
„ Du machst dir wohl keine Sorgen, dass ich dich ins Gefängnis bringe, was?“
Sven grinste höhnisch, etwas das sie bei ihm noch nie gesehen hatte. „Im Gegenteil, ich weiß genau, dass du das tun wirst. Und das ist auch voll okay für mich. Ich hab zwischendurch mal erwogen, mich zu stellen. Zu dir runter zu marschieren, nett zu klönen und ganz nebenbei rauszuhauen hey, übrigens, rate mal: Ich hab diese Leute umgebracht.“
„ Dann hätte ich wahrscheinlich als erstes gefragt, warum denn das, mein lieber Sven?“ Lisa ließ sich widerwillig auf Svens Spielchen ein.
„ Und ich hätte geantwortet: Wieso nicht? Ich meine, muss ich wirklich erklären, warum diese Typen sterben mussten? Oder kannst du mir Gründe nennen, warum sie weiterleben sollten? Welches Recht zu leben hatten die denn?“
„ Dasselbe Recht, das jeder Mensch hat.“
„ Ach, hör auf mit dem Gewäsch. Meinst du nicht, das kann ich zehnmal besser als du? Ich bin ausgewiesener Linker, Fräulein. Ich hab mein Leben unter Pazifisten und Todesstrafengegnern verbracht, ich kenne alle Sprüche. Ich weiß genau, dass es Unrecht ist, irgendwelche Länder zu überfallen, nur weil man sein Territorium erweitern und Bodenschätze plündern will. Ich weiß genau, dass die Todesstrafe eine unverzeihliche Sünde ist, allein schon weil man versehentlich Unschuldige töten kann. Aber es gibt einen Standpunkt, den ich nie hatte: Dass Menschen nicht das Recht haben, andere Menschen zu töten, wenn das notwendig sein sollte. Das bezieht sich ganz besonders auf Leute, die dem Rechtssystem durch die Finger schlüpfen. Entweder, weil sie mit juristischen Tricks
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