Halbe Leichen (Ein Lisa Becker Krimi) (German Edition)
nicht.“
Sven starrte sie an, dann seine Hand, die das Geländer umklammerte. Dann sah er, wie sich seine Hand löste. Er spürte die Schwerkraft, die ihn herabzog. Er fiel.
Und das einzige, was Lisa in diesem Moment dachte, war: Hoffentlich fällt er nicht auf Katze.
Dreiunddreißig
Lisa lag dösend in Fabians linken Armbeuge, blinzelte in den Fernseher, in dem gerade wieder neue Details über den neuesten Koalitionskrach bekannt wurden, und hörte Fabian dabei zu, wie er Käsecracker knabberte. Unter der dünnen Seidendecke, die sie für besondere Anlässe wie diesen reserviert hatte, waren sie nackt. Zum Glück war es ein wirklich warmer Sommer, und das helle Sonnenlicht, das in ihr Schlafzimmer schien, störte sie ausnahmsweise überhaupt nicht. Die Begeisterung, mit der Fabian ihren nackten Körper bewundert hatte, war für sie der Hauptauslöser für das grandioseste Sexfest ihres Lebens gewesen, und sie war sicher, dass Fabian sich ganz schön ausgewrungen fühlte. Aus Neugier fühlte Lisa mal kurz nach.
„ Fingers wech“, murrte Fabian. „Ich bin aus Fleisch und Blut und kein Sex-Cyborg.”
„ Na schön, Süßer. Aber bloß dreimal hintereinander, das wird’s ja wohl nicht gewesen sein für heute, oder?“
„ Jetzt gib mir halt mal ’ne Stunde.“
„ Von mir aus auch zwei.“
„ Und dann darfst du mal nach oben. Das mit dem ‚Oh je, du hältst doch mein Gewicht nicht aus’ ist bloß eine faule Ausrede. Ich bin doch kein kleiner Junge mehr wie bei meiner Entjungferung durch unsere dicke Nachbarin.“
„ Ach daher kommt deine Vorliebe für uns üppige Vollweiber?“
„ Das war ein Scherz, Frau Becker.“
War es das? Lisa wollte es lieber nicht wissen. Schläfrig kuschelte sie sich wieder an ihn. Sie hatten beide frei bekommen, nachdem der Fall gestern offiziell abgeschlossen worden war. Juhnke wollte sie aus der Schusslinie haben, wie er meinte. Oder er wollte den Ruhm ernten, wie Fabian meinte. Beiden war es egal, sie hatten sich sofort in ihr Liebesnest zurückgezogen und den Stecker des Telefonkabels rausgezogen. Die anschließenden achtzehn Stunden waren angefüllt mit jugendgefährdenden Szenen und dem hemmungslosem Missbrauch von frisch gelieferter Pizza und alkoholhaltigen Erfrischungsgetränken. Lisa war sich nicht sicher, ob sie die vielen Kalorien durch den Sex wieder verbrannt hatte, aber zum ersten Mal in ihrem Leben scherte es sie nicht. Und nach den Geräuschen zu urteilen, die Fabian gemacht hatte, während er seinen Kopf in ihren Bauch vergraben hatte, störte es ihn noch weniger.
Lisas Gedanken kreisten wieder um den Mann, dessen Leben vor zwei Nächten ein Ende gefunden hatte, kurz nachdem er das Leben eines anderen, vierten Opfers, beendet hatte. Sven Konrads Name war der Presse noch nicht mitgeteilt worden. Dass der Täter gefunden worden war, das war Fakt. Dass die Oberkommissarin Becker seine Identität ermittelt hatte, ebenfalls. Ebenso wie die klare Ankündigung des Polizeipräsidenten und Innensenators, sie zur Hauptkommissarin zu befördern.
Lisa hatte mit ihrem Gewissen zu kämpfen, aber es sah so aus, als würden sie sich auf ein gerechtes Remis einigen. Die Frage, wie Sven an die Adresse seines letzten Opfers gekommen war, ging im allgemeinen Trubel unter. Lisa deutete an, dass Sven den Mann möglicherweise vorher schon gekannt hatte oder ihn – und das war wahrscheinlicher – nach seiner Entlassung aus der U-Haft nach Hause verfolgt hatte. Wie sich herausgestellt hatte, war der Mann mit der BVG nach Hause gefahren (seinen Führerschein hatte er wegen Trunkenheit am Steuer verloren), so dass diese Theorie akzeptiert wurde.
Svens Tod hatte viele Fragen vereinfacht. So wurden das Schwert als Tatwaffe und seine Stimme auf dem Tonband als unwiderlegbare Beweise akzeptiert. Es gab Kritiker, die bemängelten, dass Lisa den Täter alleine gestellt hatte und ihm Gelegenheit gegeben hatte, sich per Selbstmord der Verhandlung zu entziehen, aber letzten Endes war man im LKA viel zu begeistert davon, dass eine von ihnen besser gewesen war als die Leute vom BKA. Ullrich und seine Komplizen hatten schon am nächsten Morgen das Büro geräumt und die Stadt verlassen.
„ Waah!“ schrie Fabian plötzlich auf, etwas übertrieben, wie Lisa fand. Schließlich war es bloß Katze, der sich etwas vernachlässigt fühlte, deshalb vom Fensterbrett aus auf Fabians Schulter gesprungen war und ihm nun herausfordernd mitten ins Gesicht starrte. Fabian ließ sich aber
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