HalbEngel
Kontrolldioden für die Band sichtbar.
»So geht das nicht«, meinte Floyd mit gesenktem Kopf. Er achtete gar nicht auf das Fenster. »Das ist ein Käfig hier. Wir stehen hier drin ... und geben unser Bestes, und ihr steht da hinten und habt uns in der Hand. Alle unsere Töne laufen als Kabel bei euch zusammen.« Er hob den Kopf und fixierte The Pope . »Ich spiele keinen einzigen Ton mehr, wenn diese Wand zwischen uns nicht fällt.«
»Tsssssss«, machte Stork kopfschüttelnd. Karen griente, Nick auch. Utah und Halloran atmeten flach, gespannt, beinahe furchtsam.
»Wir werden nicht deinetwegen das Studio demontieren«, sagte Stork ins Mikro. »Definitiv. Selbst dann nicht, wenn sieben Popes uns im Nacken sitzen.«
»Ich meine nicht die Scheiß-Studiowand«, sagte Floyd.
»Welche Wand meinst du?«, fragte The Pope .
»Die zwischen uns. Zwischen uns und euch. So eine Art Wissens-Wand. Informationen kommen nicht durch. Das hier soll unser Album werden, oder?«
»Sicher.«
»Na, ich hab keine Ahnung, wie das Ganze funktioniert. Ich verstehe nichts von der Studiotechnik hier. Ich sehe nicht, was ihr da hinten macht, damit es so und so rüberkommt. Ich will das aber wissen. Ich muss alles wissen über das, was ich hier tue, sonst kann ich es nicht tun.«
»Du willst einen Crash-Lehrgang in Aufnahmetechnik haben?«
»Zum Beispiel.«
»Das ist absurd«, meinte Stork. »Eure Uhr tickt. Ihr habt schon zwei Tage verschissen. Es ist keine Zeit mehr für Volksbildung.«
»Utah?« fragte The Pope .
»Ich ... fände es auch gut«, meinte Utah zögernd. »Es ... würde uns helfen, vielleicht von uns aus schon andere Ideen einzubringen. Ich finde es auch nicht so toll, wenn erst nachträglich am Mischpult alles verfeinert wird. Je weniger Arbeitsschritte, je unverfälschter das Original rüberkommt, desto besser. Finde ich.«
»Nick?«
»Meinetwegen muss das nicht sein«, grinste der Drummer. »Was ihr mir da hinten erzählen könnt, weiß ich eh schon auf die eine oder andere Art.«
»Hall?«
»Awwww, mir is das eigentlich völlig wurscht.« Der Bassist zuckte die Achseln. »Ich will nur nicht, dass wir nicht fertigwerden.«
»Also hört mal zu, Leute«, resümierte The Pope . »Mir spukt da schon seit gestern eine Idee im Kopf herum. Ich glaube nämlich sowieso nicht mehr, dass wir die dreizehn Tage, die wir noch haben, überhaupt brauchen. Ich denke, dass man mit euch ganz anders arbeiten sollte, als das normalerweise so gemacht wird. Fünf oder sechs Tage müssten uns eigentlich reichen, um das ganze Ding über die Bühne zu bringen. Ich hab euch gestern ja gehört – ich glaube nicht, dass ihr zehn oder zwölf Takes brauchen werdet, um eine Sache gut rüberzubringen. Dazu habt ihr alle zu viel Live-Erfahrung. Also sollten wir’s vielleicht auch so machen: so gut wie live. Was haltet ihr davon? Und bis dahin machen wir die Sache mit dem Studio nicht nur halbherzig, sondern richtig: Stork hier wird euch alle zu Tonmeistern ausbilden innerhalb einer Woche. Was sagt ihr dazu?«
»Ich finde, das ist eine umwerfend gute Idee, Boss.« Floyd grinste. Utah nickte, Nick zuckte die Schultern, Hall blies die Backen auf. Stork sagte: »Ich find die Idee scheiße.«
Es wurde so beschlossen.
23., 24., 25., 26. und 27. September.
Sletvik wurde verständigt, er telefonierte sein Okay, hatte volles Vertrauen zu The Pope .
Utah, Floyd und Nick verbrachten in den folgenden Tagen mehr Zeit im Studio, als wenn sie einfach nur aufgenommen hätten. (Nicks Desinteresse war in dem Moment verflogen, als die Sache beschlossen worden war, Halloran allerdings hatte hier im Ort ein dunkelhäutiges Chick namens Merle aufgetan und pimperte lieber im Hotelzimmer mit ihr herum, anstatt Storks leieriger Stimme zuzuhören. Das war auch okay so: Wenigstens einer musste ja für den Rock’n’Roll-Way-of-Life zuständig sein.)
Stork gab sein Bestes, die drei naseweisen Krachmacher in die Wunderwelt des High-End einzuführen. Im Laufe der Tage redete er sich selbst ein wenig in Begeisterung, sodass das Ganze ihm gegen Ende sogar Spaß machte.
Für Floyd, Utah und Nick war es wie eine Rückkehr in die Spielplatzphantastik ihrer Kindheiten, denn da The Pope dabei war und größtenteils achtgab, durften sie natürlich nicht nur zuhören und zugucken, sondern auch anfassen und ausprobieren. Overripe war natürlich keines der ganz großen, hypermodernen Studios, aber es hatte einen guten Ruf – was noch wichtiger war –, gute
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