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HalbEngel

HalbEngel

Titel: HalbEngel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Mitarbeiter und dadurch auch gute Connections in alle Welt und war deshalb ein bisschen besser bestückt als rein budgetmäßig erklärbar gewesen wäre. Nick prügelte wild auf einer Drum-Machine herum, die so weit verzerrbar war, dass sie die Intervalle zwischen den Schlägen mit etwas füllte, das wie zermalmt werdende Stradivaris klang. Floyd interessierte sich natürlich für alles nur in Zusammenhang mit seiner Les. Wie konnte die Les so klingen, wie konnte man das mit ihr machen, wie konnte man die Modulation des Frequenzechos verändern, ohne an irgendwelchen vorgefertigten Knöpfen zu drehen, lauter solche Sachen. Einen ganzen Tag lang verbrachte er über der irrwitzigen Idee, den Hall einer Saite hörbar zu machen, bevor sie überhaupt angeschlagen worden war. (Es gab dazu einen einfachen Trick, den Stork ihm erklärte: Wenn man das Echo eines Klanges lauter verstärkte als den Anschlag, hatte der Hörer den Eindruck, zuerst den Nachhall und dann erst den Anschlag zu hören, aber das war natürlich nicht das, was Floyd meinte. »Tricks sind etwas für Schaubudenzauberer«, entgegnete Floyd beinahe gekränkt, »ich bin Musiker.«)
    Utah war natürlich am begeistertsten. Utah in Wonderland. Die Möglichkeit, alle vorhandenen Instrumente auszuprobieren und auch mitzuverfolgen, was wie klang, wenn man es wie bediente, war für die Multiinstrumentalistin wie eine nicht enden wollende Abfolge von Heiligabenden. Aus irgendwelchen trendigen World-Music-Sessions vor ein paar Jahren waren noch ein paar Dobros und Tablas und eine Oud übriggeblieben (und noch andere exotische Wunderlampen, an deren Namen sich keiner mehr erinnern konnte), und Utah verteilte ihre Gunst wahrhaft königlich: Sie spielte mit allen. Stork – der immer besonders eifrig wurde, wenn Utah in der Nähe war – ermöglichte ihr sogar ein paar Einblicke und Eingriffe in den vor-sich-hinkleckernden Produktionsprozess der Lizard Soul -CD, bis dieser dann endgültig wegen einer hässlichen Überwerfung der von ihrem Schlachtenlenker im Stich gelassenen Bandmitglieder abgebrochen wurde. Overripe gehörte jetzt MBMI ganz alleine.
    Die Rechnung des Pope ging auf. Voll.
    Nicht nur, dass Utah und Floyd und Nick sich in langen, bis in die Nacht hineindauernden Aneignungs-Sessions in den artifiziellen Fruchtbarkeitsschamanismus eines Aufnahmestudios hineinwühlten, bis von ihren ursprünglich unbeleckten Selbsts fast nichts mehr zu sehen war, nein, die fünf Tage des forcierten Entzugs von jeglicher zusammenhängender Bandtätigkeit bauten ein Aktionspotential auf, das stündlich beunruhigender wurde. Wie Tiger, die ausgehungert in einen Käfig gesperrt und zusätzlich noch mit Stabstichen bis aufs Blut gereizt auf den Moment warten, in dem sich die Käfigtür öffnet und, was auch immer dahinter liegen mag, eine heiße Kehle bietet, wurden auch die drei MBMI er immer unruhiger und ihre Blicke immer intensiver.
    In der Nacht vom 27. auf den 28. September, etwa in der Stunde, in der dem im Bett liegenden Pope klar wurde, dass der Titel des Albums irgendetwas mit »Käfig« zu tun haben musste, brach sich die Gier Bahn. Wie fahle Geister aus einer indizierten Antiwelt tauchten Floyd und Utah – Orpheus und Eurydike des elektrischen Hades – am Fußende von Popes Bett auf und machten ihm klar, dass es jetzt sein müsste, jetzt, wo ganz Amerika im Slumberland döste, jetzt, hier, ›Sleep‹. Hatte The Pope in seiner langen Karriere schon mehrmals den Gedanken gehabt, mit den Bands der Zukunft niemals mehr die unmittelbare musikalische Begeisterung seiner frühen Wanderjahre wiederaufleben lassen zu können, schalt er sich in dem Augenblick einen blinden Narren, als er mit Floyd und Utah ins Studio fuhr und dort nicht nur den übernächtigten, aber euphorischen Stork, sondern auch bereits Nick und Halloran vorfand. Jetzt, als es losging, war Halloran wieder dabei, voll bei der Sache, Merle nur noch als Geruch auf der Haut tragend.
    ›Sleep‹ . Sie waren nur zu sechst im ganzen, nur teilweise erleuchteten Studio, aber das reichte völlig aus. Das war wahrscheinlich der komplexeste, schwierigste Song des ganzen Albumkonzeptes, und irgendwie war allen klar, dass es nur einen einzigen Take geben durfte, aber genau das war das Hier und Zuhause und sie zogen es durch. Fünf Tage des Lernens, des Erstaunens und der Enthaltsamkeit entluden sich in einem achtminütigen Brüllen und Heulen und Reißen und Hämmern, wie es die Welt noch nicht gehört hatte. Floyds

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