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HalbEngel

HalbEngel

Titel: HalbEngel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Gesicht war hinterher kirschrot, und er ließ sich einfach schweißgebadet zwischen die Kabel plumpsen, neben die keuchende Utah, die da schon lag. Halloran ging auf und ab, zeterte und schrie und zerpflückte seine Basssaiten, bis ihm fast die Fingerbeeren platzten, und Nick saß vornübergesunken in seiner Schießbude, die Stirn auf einem Tom-Tom-Fell.
    Stork hatte nicht viel zu tun. Als der ins All gekreischte Nachhall verklungen war, schaltete er ab und sagte tonlos: »Das ist es. Das ist es.«
    ›Sleep‹.
    The Pope wusste, von dieser Stunde an würde er entweder nie wieder richtig schlafen können oder erstmals.
     
     
    28. September.
    Die Band kleckerte erst spät im Studio ein, sie wirkte erschöpft, überspannt, aber trotzdem von der Idee stimuliert, heute etwas zuwege zu bringen.
    Sie nahmen die ersten Takes auf von ›Grey‹ und ›Legless Bird‹. Bei ›Legless Bird‹ fehlte noch ganz deutlich was, und Utah wusste auch schon, was es war. Sie wollte so eine Art Windrauschen erzeugen mit überhallter Slide, das aber nicht wie die unsäglichen Chimes der Kommerz-Pop-Produktionen einschmeichelnd und süßlich war, sondern wild und bitterzart wie echter Wind im Oktober. So probierten sie es noch drei weitere Male, aber so richtig gut war es noch nicht.
    The Pope gab Floyd zwei Hausaufgaben mit ins Hotel: Erstens sollte Floyd versuchen, für ›Crazy Bitch Lancaster‹ einen anderen Text zu finden, der das Andenken des bei allen beliebten und leider mittlerweile verstorbenen Burt Lancaster in Ruhe ließ. Und zweitens sollte morgen der ›Goodbye‹-Tag sein. Da ›Goodbye‹ die Singleauskopplung sein würde, war es gut, sich einen ganzen Tag lang nur auf diesen einen Song zu konzentrieren, und zwar am besten an einem der ersten Tage.
    Es war wieder mitten in der Nacht, als Floyd und Utah ins Studio zurückkehrten, um zu zweit einen Song aufzunehmen, den sie während der letzten Tage zusammengestellt hatten. Der Song hieß ›No Coffee, Never Wine‹, klang akustisch und liebend und wurde später die B-Seite von ›Goodbye‹.
     
     
    29. September.
    Der ›Goodbye‹-Tag. Der achte Take ist bereits so exzellent, dass eigentlich Einigkeit darüber besteht, dass er genommen wird, aber The Pope lässt trotzdem noch elf weitere Takes aufnehmen. Die 14 und die 16 sind noch einmal so eigentümlich, dass sie in die engere Wahl kommen, aber es bleibt dann doch bei 8. Von Halloran darauf angesprochen, dass er doch vor ein paar Tagen noch versichert habe, diese Band habe es nicht nötig, mehr als zehn Takes für einen Song aufzunehmen, antwortet The Pope nur mit zwei Gegenfragen: »Wie kommt es, dass du mir immer noch nicht vertraust? Hörst du denn nicht richtig zu, wenn ihr spielt?«
    Am Abend befindet er ›No Coffee, Never Wine‹ für ausgezeichnet und koppelt es mit ›Goodbye‹, da es eher mit der ökologisch anspruchsvollen Message von ›Goodbye‹ korrespondiert als das ausgeklinkte ›Crazy Bitch Whatever‹.
     
     
    30. September.
    Stork meldet Bedenken an, dass sie in den verbleibenden nur noch fünf Tagen Studiozeit alles auf die Reihe kriegen werden, aber The Pope beruhigt ihn gutgelaunt und wettet mit ihm um einen Kasten Hard Cider, dass sie vor dem vierten Oktober fertig sein werden.
    Kurz vor Mitternacht sind die Hauptspuren von ›Implication Storm‹, ›Zeroes‹ und ›Man Is Where the Money Is‹ (letztere mit Utahs Co-Vocals) im Kasten, immer mit dem Vorbehalt, dass noch das eine oder andere verändert, zugefügt oder weggelassen werden kann. ›Grey‹ ist ebenfalls noch einmal neu eingespielt worden, auf acht Spuren geordnet.
    In jeder auch nur mindest nutzbaren Pause improvisiert und entwickelt Nick Rhythmen, die er morgen für ›Ten Candles‹ verwenden will. Mit diesem einen Song will er den Geist von Don Cherry oben im Himmel dazu bringen zu sagen: »Hey, das ist ja Nick. Hör dir das an. Gar nicht so schlecht für einen Rockmusiker, Mann. Gar nicht so schlecht.«
    Da ›Market‹ in seiner ausufernden Maßlosigkeit so eine Art Pendant zu ›Sleep‹ herstellt und man mit ›Sleep‹ angefangen hat, sind sich alle einig, dass sie ›Market‹ erst als allerletzten Song aufnehmen, und zwar live, so, wie er kommt, unredigiert und roh. Eine Session, eingefangen, die nie wieder kommt.
     
     
    1. Oktober.
    ›Ten Candles‹ wird tatsächlich so etwas wie die Ein-Mann-Show des Nick Denning. The Pope hat den ersten, von Floyd abgebrochenen Ansatz vom 22. September noch genau im Ohr, und

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