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HalbEngel

HalbEngel

Titel: HalbEngel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Börsianersprache.
    Denning: Wir setzen den Index der Grundfesten des Heavy Metal. Und wir sind merkantil, das heißt, wir sind uns unseres Wertes bewusst, und man kann in uns investieren.
    Drood: Man kann in uns alles investieren. Wir sind eine Bank. Eine Bank der guten Musik.
    Semith: Ihr seid aber auch käuflich und euch eurer Käuflichkeit bewusst. Einer der Songs auf eurem Album wird ›Market‹ heißen. Wird das denn dann nicht letzten Endes bedeuten, dass ihr auch nur eine weitere Hintergrund-Untermalungs-Gute-Laune-Spaßband werdet, von denen es schon Abertausende gibt? Wie wollt ihr denn verhindern, dass aus dem charismatischen HalbEngel-Floyd plötzlich jedermanns Floyd wird?
    Timmen: Ich bin nicht mal mein eigener Floyd. Wie kann ich da also jemals jedermanns Floyd werden? Das ist Quatsch. Ich bin niemandes Floyd.
    Semith: Ist schon oft genug vorgekommen, dass jemand vom Business vereinnahmt wird.
     
    Utah McAllison steckt kurz den Kopf zur Tür rein, winkt Nick Denning heraus, der verlässt mit ihr den Raum.
     
    Timmen: Dann ist es vielleicht mal an der Zeit, dass jemand das Business vereinnahmt.
    Drood: Ja, genau.
    Semith: Wie stellt ihr euch das vor, das Business zu vereinnahmen? Wie soll das vor sich gehen?
    Drood: Wir packen das Business, drehen ihm den Hals um, schlitzen es auf und wenden es, bis es uns passt.
    Timmen: Zuerst einmal werden wir mit der blödsinnigen Tradition aufräumen, dass eine sogenannte große Band nur alle drei oder vier Jahre ein Album vorlegt. Ich habe das noch nie kapiert. Ich bastele mindestens in jeder Woche meines Lebens an einem neuen Song. Das bedeutet also rein rechnerisch, dass wir im Jahr etwa fünfzig neue Songs auf der Pfanne haben. Selbst wenn wir nun annehmen, dass die Hälfte davon minderwertig ist und nicht zur Veröffentlichung taugt, haben wir dann immer noch jedes Jahr mehr als zwanzig gute Stücke, das ergibt zwei Alben. Zwei Alben pro Jahr.
    Semith: Und Zerstören des Marktes durch andauernde Medienpräsenz und Überfütterung. Zu viel Angebot bei unvariabler Nachfrage.
    Timmen: Na und? Davon rede ich doch gerade! Wir scheißen darauf, ob es eine Nachfrage gibt oder nicht. Wir machen Musik, und das mit unserer ganzen Kraft und Hingabe. Genauso, wie wir die Musiker zum Lachen finden, die mehrere Jahre brauchen, um neues Material zusammenzustellen, finden wir die sogenannten Fans zum Kotzen, die mit uns nicht Schritt halten können.
    Drood: Genau. Beck hat ’94 auch drei Alben in Umlauf gebracht, drei Alben bei drei verschiedenen Plattenfirmen. Das war ein guter Zug. Die Leute, denen das zu viel war, interessierten ihn einfach nicht. Uns auch nicht.
    Timmen: Ripcage wird eine Kriegserklärung an den ganzen Rest da draußen. Wer da nicht mithalten kann, soll weiterhin Mariah Carey hören.
     
    Utah McAllison öffnet wieder die Tür und fragt, ob Floyd endlich kommt. Floyd steht auf und folgt ihr.
     
    Semith: Was habt ihr vor?
    Drood: Wir werden versuchen, den Käfig, der das Leben ist, in kleine Schnipsel zu zerreißen.
    Semith: Nein, ich meinte: Was habt ihr jetzt vor, jetzt im Moment, konkret? Weshalb Utah euch alle vor die Tür holt.
    Drood: Wir werden versuchen, den Käfig, der das Leben ist, in kleine Schnipsel zu zerreißen.
     
    Auch Halloran Drood steht auf und verlässt grußlos den Raum.
    Zwei Stunden später geben Mercantile Base Metal Index in einer kleinen Kaschemme mit sich drehender Disco-Flimmerkugel einen Promo-Gig, der alle erdenklichen Käfige in molekulare Fetzen zersprengt.
     
     
     
    ›Goodbye‹, Floyd
     
    Wie Paula Peterson Mercantile Base Metal Index in Harrisburg suchte und in Philadelphia fand
     
    Nun haben sie’s also geschafft. Technoeske Hardbody-Remixes von ›Goodbye‹ haben sich in den US-Dancefloor-Charts auf Platz 1 vorgeschoben, und Trendbrettfahrer Oliver Stone höchstpersönlich hat sich erboten, ein Video für den schnellsten dieser Mixes zu drehen. Drei Fernsehshowauftritte haben sie jetzt schon hinter sich, alle innerhalb von vierzehn Tagen, Radiointerviews zu Dutzenden, überall lauern ihnen miniberockte Magazinschreiberinnen auf, um sie auf irgendwelche Titelseiten zu pressen. Ja, das Leben ist schon verdammt hart geworden für sie. Für März und April ist eine Tour durch 32 Städte angesetzt, der Vorverkauf läuft schneller als Michael Johnson, jeden noch so unansehnlichen Busen überspannt jetzt die tiefschürfende Nobody’s Floyd -Message. Vorbei die Zeiten, als Floyd noch mit Valley Forge in

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