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HalbEngel

HalbEngel

Titel: HalbEngel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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damit Festgefahrenheit – profitiert, und deren Texte vom nachvollziehbaren Öko-Fatalismus bis hin zur völligen nicht-binären Zahlencodeabstraktion alle Spielarten menschlichen und un-menschlichen Denkens umarmen zu wollen scheint, sowie von den unglaublichsten Gitarrengewittern, die man seit dem Tod des großen Voodoo Chile gehört hat. Der Begriff »Wall of Sound« reicht hier nicht aus. »Palace of Harmonic Feedback« wäre treffender.
    Da wird man mitgerissen von der – schlauerweise an den Anfang gestellten – Hitsingle ›Goodbye‹, die auf einem Riff basiert, wie es auch Ray Davies hätte schreiben können, wird dann im Kreis herumgewirbelt von der experimentellen Simulation einer zehnminütigen Massenelektrokution (›Market‹), schwingt sich dann auf beinlosen Tragflächen durch einen rosafarbenen Himmel mit Vermouth-Aroma (›Legless Bird‹), bekommt eine hip-hop-lastige Reminiszenz an die früheren Faith No More um die Ohren gehauen (das kryptische ›Zeroes‹), taucht dann tief in den dunkelblau schimmernden Samtanzug von Percy Sledge oder einem unter einer Überdosis Amphetaminen krepierenden Barry Manilow (›Word Is Soul‹), schreit dann mit den gequälten Seelen eines osteuropäischen Bürgerkrieges um die Wette (›Sleep‹), tänzelt verschwitzt aber dümmlich-beruhigt grinsend zu einer nachvollziehbaren Uptempo-Ballade (›Man Is Where the Money Is‹), stolpert dann über ungeheuerliche Schlagzeugschlingen (›Ten Candles‹), wird lautlos wahnsinnig in der aufreizenden Weichheit von ›Grey‹ (mein Vorschlag für die Wahl zum Horror-Soundtrack des Jahres) und mündet schließlich in einer dermaßen sexy-zwingenden Rhythm’n’Blues-Nummer, dass einem vor Dankbarkeit schier die Tränen kommen (›Implication Storm‹).
    Trotz allem leider noch einen halben Stern Abzug wegen der geläufigen Produktion. Reglermagier Pope Christie liefert routiniertes Handwerk ab, das leider nicht den Mut hat, sich zwischen ultramodischem Lo-Fi und ultraperfektem 4 D-Klang zu entscheiden. Er will das Beste beider Welten, verliert sich aber in der Richtungslosigkeit dazwischen. Dadurch fehlt dem Album die letzte kohärente Konsequenz, geheimbündlerische Möglichkeiten scheinen zwischen den Starkstrommaschen des Einkaufswagens ins Leere zu suppen.
    Dennoch (habe ich es schon deutlich genug gesagt?): Dies ist ein Album für die Ewigkeit.
    Vielleicht werde ich in einhundert Jahren den letzten fehlenden Halbpunkt noch reumütig nachreichen.
    (4,5 von 5 möglichen Sternen,
    also zwischen excellent und classic )
     
     
    SPEX (Ger)
     
    Wäre MBMI die einzige Band der Welt, die jemals den post-grungesken Hardrocksektor beackert hat, wäre dies vielleicht die Platte für die Insel. Sie sind aber nicht die Einzigen, bei Weitem nicht, sie sind auch nicht die Ersten, bei Weitem nicht, und somit haben sie ein Problem.
    Die Idee einer Super-Band für Designer-Snowboarder ist marktwirtschaftlich clever, musikalisch vielleicht sogar von einer gewissen Folgerichtigkeit.
    Man nehme einen Schlagzeuger, der Erfahrungen aus der Zweitliga des Jazz-Sektors einbringt, einen spiegelsonnenbebrillten Bassisten mit der altbekannten ›You can kiss my ass, too‹-Attitüde, eine einst streunende, nun domestizierte Multiinstrumentalistin, die weiß, wie man eine Lederhose so trägt, dass selbst aus einem Feministen ein Schwein wird, und einen hübschen Sänger, der allein schon durch seine Herkunft (Harrisburg, ja, genau das Harrisburg) jene veteranenhafte Survival-Traurigkeit mitbringt, die zu artikulieren andere Musiker schon mindestens eine handfest vorweisbare Heroinsucht brauchen. Dann sperre man die vier in dasselbe Studio, das schon den Solipsisten-Rock von Lizard Soul hervorgebracht hat, und lasse sie zum Teil mehr als zehn Minuten lang sinnentleert drauflos moshen, als gälte es, sämtliche Rückkopplungen der Musikgeschichte zu kolportieren. Darüber gieße man ein paar politisch korrekte und pseudo-antikapitalistische Statements und noch weiteres unausgegorenes Gelaber, und fertig sind die neuen Helden der Generation XXX.
    Aber die Rechnung geht nicht auf, Mr Businessman.
    Wir fallen nicht auf das hundertundzehnte Arschloch rein, das uns erzählen will, dass es auf etwas anderes als Kohle aus ist. Wir können deinen scheelen Blick zum Major deutlich sehen, Timmen, der du uns von allen warmen Mädchenzimmerwänden der Nation herablächeln wirst auf langwimprig geschönten Postern wie ein phänomenales Überwesen aus den

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