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Halbgeist: Roman

Halbgeist: Roman

Titel: Halbgeist: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam-Troy Castro
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sah mir selbst dabei zu und genoss es. Er war mein Vaafir gewesen. Er war wie ein Vater für mich gewesen. Mir war es egal. Ich wollte ihn sterben sehen.
    Nein, gewöhnlicher Schlaf ist schlimm genug, wenn man, wie ich, die Implantate scheute, die eine Traumkontrolle ermöglichten.
    Interschlaf war schlimmer.
    Im Interschlaf wird das Bewusstsein für Wochen oder Monate Merkantilzeit ausgeschaltet, ein Zustand, der sich von der absoluten Nulllinie nur durch ein paar rebellische Ausbrüche mentaler Statik unterscheiden lässt. Das hat weniger mit Gedanken oder Erinnerungen zu tun als mit dem Müll, den Gedanken und Erinnerungen zurücklassen.
    Für Leute, die für Träume voller angenehmer Erinnerungen und erotischer Intermezzi prädisponiert sind, mag das eine erfreuliche Angelegenheit sein.
    Ich hatte eine solche Prädisposition nie besessen.
    Und so saß ich aufrecht in dem transluziden Blaugel, die Augen von dem Gel verklebt, die Knie dicht an die Brust gezogen, und meine Augen brannten, während saure Tränen einen Pfad durch das klebrige Zeug auf beiden Wangen gruben.
    Ich empfand Verlust, Scham, Selbsthass, Wut und das Bedürfnis, jemanden bluten zu lassen.
    Ich schauderte. Schluchzte.
    Wollte sterben.
    Schloss die Augen und verfluchte mich dafür, dass ich nicht imstande war, das alles hinter mir zu lassen.
    Hielt den Atem an, fühlte mein Herz wild in der Brust schlagen, zwang es zur Ruhe, ehe es in meinem Inneren explodieren konnte wie eine Bombe.
    Guten Morgen, Andrea. Willkommen am Tag deines Erwachens.
    Meine geistige Gesundheit, soweit in Bezug auf mich überhaupt die Rede davon sein konnte, kehrte stückweise zurück. Ich erinnerte mich, wo ich gewesen war und wo ich nun sein sollte.
    Ich hatte mich auf einer Welt namens Grastius aufgehalten und einen Fall bearbeitet, der sich als die kolossalste Zeitverschwendung in einer langen Karriere erwiesen hatte, die vorwiegend mit der Untersuchung kolossaler Zeitverschwendungen einhergegangen war.
    Planmäßig hätte ich nach New London zurückkehren sollen, was bedeutete, dass ich mich nun auf einer Dip-Corps-Laderampe hätte wiederfinden sollen, umgeben von geschäftigen Schlaftechnikern, deren herausragendster Beitrag zu meinem Wohlbefinden in tröstlichen Worten und der Bereitstellung süßer Getränke bestanden hätte. Ich kann nicht behaupten, dass mir das Gewusel gefehlt hätte, aber die Abwesenheit der Techniker verriet mir, dass etwas schiefgelaufen war. »Mist.«
    Vor langer Zeit, bevor ich ihm eine Persönlichkeit verpasst hatte, mit der ich auch leben konnte, hätte der Weckmonitor mir im denkbar süßesten Tonfall mitgeteilt, dass alles seine Ordnung hätte. »Genau, Mist.«
    Ich schätzte den Anflug von Ärger in dieser schroffen, leidgeprüften Stimme ab. »Warum sind wir nicht zu Hause? Wir krachen doch nicht gleich gegen irgendwas Großes, oder?«
    Der Monitor verzog hörbar das Gesicht. »So viel Glück haben wir nicht.«
    »Was dann?«
    »New London hat uns abkommandiert.«
    »Was meinst du mit abkommandiert?«
    »Abkommandiert«, wiederholte er. »Umgeleitet. Shanghait. Uns einen neuen Bestimmungsort zugewiesen. Uns mit einem neuen fruchtlosen Unterfangen beauftragt. Du weißt schon. Abkommandiert.«
    Ein pochender Schmerz breitete sich in meinem Schädel aus. »Scheiße.«
    »Das«, verkündete der Monitor, »wäre ebenfalls ein passendes Synonym.«
    »Scheiße. Scheiße. Scheiße. Scheiße.«
    »Übertreib's nicht, Herzchen.«
    »Ich hätte Urlaub haben sollen.« Den ich damit hatte verbringen wollen, private Ermittlungen in einem ganz bestimmten Fall auf den Weg zu bringen, in den Unsichtbare Dämonen verwickelt waren.
    »Ich weiß. Und die wissen es auch. Anscheinend hat es sie nicht interessiert.«
    »Warum konnten die nicht jemand anderen abkommandieren?«
    »Wahrscheinlich fanden sie, es wäre zu brutal, jemanden zu belästigen, der ein eigenes Leben hat.«
    »Fick dich.«
    »Wie kommst du darauf, dass ich daran interessiert sein könnte?«
    Andererseits mochte so ein Anflug von Ärger sich ziemlich lange hinziehen. »Wo sind wir?«
    »Sieben Stunden entfernt von der Ankunft in einem Zylinderhabitat mit der Kennzeichnung One One One, KIquellenregistrierung, ranghöchster Dip-Corps-Repräsentant ist ein Mr. Stuart Gibb.«
    Die KIquellenregistrierung war der erste Anhaltspunkt dafür, dass es etwas Ernstes war.
    Es war schlicht nicht möglich, weitreichende Reisen durch den zivilisierten Raum zu unternehmen, ohne dabei mit dieser

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