Halbgeist: Roman
können, aber bis dahin müssen wir die Sache zurück in die Büchse stopfen. Wir brauchen einen Schuldigen, den wir einsperren können.« Er zögerte. Dann: »Ich vertraue Ihnen, Andrea. Melden Sie sich, wenn Sie Gelegenheit dazu haben.«
Die Projektion färbte sich schwarz und verschwand, und die vier Wände, die meine Gruft umschlossen, kamen wieder zum Vorschein.
Für einen Augenblick wollte ich nichts mehr, als meinen Transporter auf irgendeinen Ort zuzusteuern, der nicht durch empfindungsfähiges Leben verschmutzt war, einen Ort, an dem er sicher und ungestört jahrhunderte-, vielleicht sogar jahrtausendelang treiben konnte, ohne auch nur einer Schwerkraftquelle zu begegnen oder von irgendwelchen Krisen oder Kontroversen heimgesucht zu werden.
Dann sagte der Monitor: »Hey.«
»Was?«
»Du wolltest, dass ich dich an etwas erinnere, wenn du so drauf bist. Unsichtbare Dämonen.«
Im Raum herrschte Stille, abgesehen von dem Zischen, das auch noch die leersten Räume heimsuchte, dem Geräusch zufällig kollidierender Moleküle, die selbst Stille zu einer Art unterdrückter Explosion machten.
Unglücklich darüber, zurück in ein Land gezerrt worden zu sein, das besetzt war von Kreaturen mit alles verzehrenden Vorsätzen, blieb mir nur noch der Rückgriff auf das Wort: »Scheiße.«
»Willst du die zweite Wange jetzt hinhalten oder erst später?«, fragte der Monitor.
Ich überlegte, ob ich ihn abschalten sollte. Ich hatte mich noch lange nicht vollständig erholt. Interschlaf löste eine Trägheit aus, die hartnäckig zu verweilen pflegte. Ich musste mich aus meiner Krypta schleppen, musste wenigstens eine Stunde in der Schalldusche verbringen, um mir die Reste des Blaugels vom Leib vibrieren zu lassen, musste mir irgendeine feste Mahlzeit reinzwingen und dann vielleicht noch ein paar Stunden an einen gewöhnlichen Feld-Wald-und-Wiesen-Dämmerschlaf vergeuden. Immerhin würde es eine Weile dauern, vielleicht sogar ein paar Tage, ehe ich wieder zum Schlafen käme. Die Gegenmaßnahmen, die notwendig waren, um mein System wieder in Gang zu bringen, verpassten mir regelmäßig einen Amphetaminrausch, der mich auf Hyperantrieb schaltete, bis ich gegen meine metabolische Mauer krachte.
Aber Bringen und dem Monitor zuzuhören hatte mich bereits in meinen produktivsten Zustand brodelnden Zorns zurückversetzt. »Jetzt. Hau rein.«
»Es gab noch eine zweite Botschaft, eine Huckepackbotschaft der offiziellen Transmission. Ein kodierter Datenimpuls, der von allen Tausend Teilen Rauschen, die Bringens Worte begleiteten, zehn Teile belegt hatte. Und es gibt mindestens siebzehn verschiedene Hinweise - es wird langweilig, wenn du mich zwingst, sie einzeln aufzuführen -, die darauf hindeuten, dass die Botschaft an die Transmission angehängt wurde, nachdem diese abgeschickt worden war.«
»Bist du sicher? Es war nicht nur ein Versuch von Bringen, besonders pfiffig zu sein?«
»Der Inhalt der zweiten Botschaft macht das eher unwahrscheinlich, aber ich wollte sicher sein, also habe ich eine Hypertextbotschaft an New London geschickt und um erneute Sendung gebeten. Die zweite Übermittlung enthielt nur Bringens Botschaft ohne jeden zusätzlichen Code. Nein, es sieht so aus, als hätte jemand Bringens Signal abgefangen und die Daten neu gemischt.« Der Monitor zögerte, lieferte eine überzeugende Darstellung eines Mannes, der Worte vermeiden wollte, die in seinen Ohren unvernünftig klangen. »Interne Beweise deuten darauf hin, dass ein Mensch einen KIquellen-Code benutzt hat. Ich glaube, die Botschaft könnte von einem Absender innerhalb von One One One stammen.«
Ich nagte an meinem Daumennagel und bedauerte es sofort, als ich die angetrockneten Rückstände des Blaugels auf der Zunge schmeckte. »Jemand möchte mit mir sprechen, ohne die offiziellen Kanäle zu benutzen.«
»Oder er will demonstrieren, dass er die Kanäle kontrollieren kann. In Anbetracht des Inhalts der zweiten Botschaft ist das ein Anlass zur Sorge.«
Ich setzte mich in dem Gel auf. »Zeig sie mir.«
Ein zweites Mal wurde es dunkel in der Kammer und wieder hell, als eine weitere Projektion erschien, dieses Mal ein lebensgroßes Holo meiner selbst in Habachtstellung, gekleidet in das übliche formlose Schwarz. Mein Gesichtsausdruck war komatös neutral; von der sonst stets präsenten stirnrunzelnden Ernsthaftigkeit war nichts zu sehen. Auch war das Porträt um das Kinn herum weicher als nötig, aber die Wangenknochen waren auf korrekter Höhe,
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