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Halbgeist: Roman

Halbgeist: Roman

Titel: Halbgeist: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam-Troy Castro
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Gemeinde unabhängiger Softwareintelligenzen in Berührung zu kommen. Doch handelte es sich bei ihnen um körperlose, unberührbare Entitäten, die sich unter uns bewegten, uns Rat darboten und uns gegen Bezahlung hochtechnologische Dienste zur Verfügung stellten, ohne uns jedoch im Gegenzug einen Zugang zu liefern, über den wir sie hätten berühren können. Das Wenige, das wir über sie wussten, war darüber hinaus viel zu vage. Wir wussten, dass sie als geschützte Software diverser früh entwickelter organischer Lebewesen entstanden waren, deren diesbezügliche Technologie fortschrittlich genug gewesen war, Programme hervorzubringen, die imstande waren, ihre eigene Evolution zu steuern. Wir wussten, dass die Proto-KIs ein echtes Empfindungsvermögen entwickelt hatten und eine Weile danach unabhängig geworden waren, lange bevor die Menschheit aus dem Urschlamm hervorgegangen war. Wir wussten auch, dass sie im Zuge ihrer Erforschung des Universums irgendwann untereinander Kontakt aufgenommen und eine Art Gemeinde gebildet hatten, die schon da war, um uns erbärmliche Wesen aus Fleisch und Blut in Empfang zu nehmen, als wir endlich unsere Ärsche aus dem Einflussbereich unserer jeweiligen Schwerkraftquellen, unserer lebenserhaltenden Umweltbedingungen und all dem lösen konnten.
    Wir wussten nicht, wo sie ihre Hardware verwahrten, auch wenn allgemein davon ausgegangen wurde, dass sie sich nicht im konventionellen Raum befand, einem Ort also, den paranoide organische Kreaturen bombardieren konnten. Wir wussten nicht, welchen Nutzen sie davon hatten, mit dem Rest von uns Handel zu treiben und diplomatische Beziehungen zu unterhalten, es sei denn, es ging bei all dem nur um möglichst hohe Punktzahlen (also ein Computerspiel, bei dem mit uns gespielt wird). Wir wussten nicht, wie schlau und wie machtvoll sie tatsächlich waren und wie leicht es ihnen fallen würde, die eher konventionellen empfindungsfähigen Kreaturen vom Himmel zu fegen, sollte es ihnen irgendwann in den Sinn kommen. Ich allerdings hatte schon mehreren Dip-Corps-Versammlungen beigewohnt, bei denen eine bloße Erwähnung dieses Themas bestenfalls zu unbehaglichem Schweigen, schlimmstenfalls zu einem dramatischen Besäufnis geführt hatte.
    Inzwischen schienen sie ganz damit zufrieden zu sein, sich unter uns zu bewegen, uns ihre technischen Errungenschaften zu verkaufen und uns bisweilen mit bizarren Marotten zu verblüffen. Juje allein wusste, was sie mit all dem Geld anstellten, das sie mit ihren diversen Unternehmen verdienten; schließlich war es nicht so, dass sie irgendetwas benötigt hätten, was wir ihnen hätten verkaufen können. Ihr berühmtester Beitrag zum speziesübergreifenden Handel war natürlich die KIquelle Medizintechnik mit ihrem Netzwerk aus Kliniken und Hospitälern, die mehr als ein Drittel der gesamten medizinischen Versorgung im Hom.Sap-Raum stellte. Ich hatte mich schon zu verschiedenen Gelegenheiten in ihre Obhut begeben und zwei Anschläge auf mein Leben nur deshalb überstanden, weil die KIquelle verfügbar gewesen war und sich um die schlimmsten Verletzungen hatte kümmern können. Aber genau das war es ja: Bis dato sind sie immer zu uns gekommen.
    Sie hatten keine Körper, jedenfalls nicht nach unserem Verständnis. Was wollten sie dann mit einer Welt, auch wenn es eine künstliche war?
    Ich bedeckte die Augen mit meinen immer noch klebrigen Händen. »Ich nehme an, niemand hatte die Gnade, Bescheid zu geben, wozu ich hier bin?«
    »Gnade ist das passende Wort«, verkündete der Monitor.
    »So schlimm, was?«
    »So schlimm. Bleib sitzen, das wird dir gefallen.«
    Das kalte Licht im Raum erlosch, wurde für einen Moment ersetzt durch tiefe Dunkelheit, die gleich darauf dem Gesicht eines Mannes wich, den ich während des größten Teils meines Berufslebens verabscheut hatte.
    Artis Bringen war ein strohdürrer Funktionär mit glatten Zügen, automodifiziert, sodass er aussah wie ein Junge von allenfalls fünfzehn Handelsjahren. Seine Wangen waren glatt, das Kinn weich, die Haut unbefleckt von jeglichem Makel, den echte Erfahrungen in ihr hätten hinterlassen können. Die einzigen Zugeständnisse an sein wahres Alter zeigten sich in dem Ansatz seiner zurückgekämmten Haare, der die kahle Gletscherlandschaft der Stirn betonte, und einem Paar lebensüberdrüssiger Augen, die trotz seiner übermäßigen Nutzung von Verjüngungsbehandlungen aller Art nicht mit der gleichen Form äußerlicher Jugend hatten ausgestattet

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