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Halbgeist: Roman

Halbgeist: Roman

Titel: Halbgeist: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam-Troy Castro
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Wege bis zu diesem Moment in ihrer jeweiligen Geschichte anhand der zerfetzten Ranken, die sie zurückgelassen hatten, leicht nachzuvollziehen waren. Sie waren nicht frontal aufeinandergeprallt, eher im schiefen Winkel, und der Kampf war ausgebrochen, als beide Stämme erkannt hatten, dass sie nun um dasselbe Stück des Dachs ihrer Welt konkurrierten.
    Die frischen, saftigen Mannabirnen, die in dichten Trauben an jeder Ranke in Sichtweite hingen, zeigten an, wie lächerlich dieser Kampf war: Selbst die Gruppe, die einen Kurswechsel hätte vornehmen müssen, hätte hier mehr Nahrung gefunden, als sie innerhalb der vielleicht einstündigen Wanderung, die sie weit genug von der anderen Gruppe fortgebracht hätte, hätte essen können. Aber das war ihnen egal. Ihre Streitkräfte waren einander begegnet, und ihr Krieg musste geführt werden.
    Ich habe in meinem Leben schon ein oder zwei Schlachtfelder gesehen. Man sagte mir, manche Leute fänden das Kämpfen ruhmreich oder aufregend. Ich habe beiden Vorstellungen nie einen Sinn abringen können. Aber wäre ich bereit einzuräumen, dass manche Kriege ruhmreich waren, so würde ich auch die natürliche Schlussfolgerung akzeptieren müssen, die da lautete, dass andere Kriege irgendwo im Universum einfach nur hirnlähmend öde waren.
    Das Schlachtfeld der Brachiatoren sah aus wie eine Orgie, deren Teilnehmer samt und sonders beim Vögeln eingeschlafen waren. Die Kämpfer kämpften mit je zwei Gliedern, da sie die anderen brauchten, um sich am Überwuchs festzuhalten, doch auch die Kampfesglieder waren kaum mehr in Bewegung, wenn sie nach ihren Gegnern schlugen und in Zeitlupe ihre Klauen in den Leib ihres Widerparts bohrten. Ich sah zwei Brachiatoren, die sich gegenseitig die Fangzähne in den Leib geschlagen hatten, doch schien keiner zu kauen oder den Kampf noch weiterzuverfolgen; es war, als hätte der erste Schock des gemeinsamen Schmerzes beide erstarren lassen, und ich nahm an, dass sie schlicht nicht mehr imstande waren, entweder voneinander abzulassen oder den Kampf fortzusetzen. Ich sah zwei andere, die sich mit Klauendolchen von der Art bekämpften, wie sie bei Cynthia Warmuth benutzt worden waren. Beide Brachiatoren bluteten bereits und holten zum nächsten Schlag aus, aber sie bewegten sich wie zwei Wesen, die Angst hatten, etwas zu zerbrechen, nicht wie Soldaten, die einander auf Leben und Tod bekämpften.
    Ich hatte Leute gesehen, die mit weiter nichts als gewöhnlichen Schaufeln Brunnen schneller gegraben hatten.
    Einige der Brachiatoren schrien vor Schmerz oder Wut. Ihre wortlosen Schreie hatten eine ganz ähnliche Frequenz wie die von Kleinkindern, die sich an den elterlichen Rücken klammern.
    »Sehen Sie?«, fragte Godel. »Selbst unter der Annahme, dass sie einen Grund gehabt hätten, sie anzugreifen, und wenn wir uns dazu noch vorstellen, sie hätte geschlafen, als sie gekommen sind, und wäre von ihrem Angriff überrascht worden, hätte sie mehr als genug Zeit gehabt zu tun, was immer nötig war, um sich zu schützen.«
    »Ich habe mir immer vorgestellt, sie hätten sie zuerst fixiert«, argumentierte Lassiter. »Sie so festgehalten, dass sie nicht kämpfen konnte, während sie ihr die Klauen in Zeitlupe in den Körper gebohrt haben.«
    »Darüber habe ich auch nachgedacht. Aber so langsam, wie diese Biester sich bewegen, hätten sie ihre Handlungsweise mit der Präzision einer Maschine koordinieren und ihre Arme und Beine exakt im gleichen Moment packen müssen. Anderenfalls wäre sie vorgewarnt gewesen, wenn ein Brachiator ihre Hand festgehalten hätte, selbst wenn es nur Sekunden gedauert hätte, bis der nächste nach der anderen gegriffen hätte. Sie hätte gewusst, dass irgendwas Schlimmes im Gang wäre. Sie hätte sich herumwerfen können, schreien, sie abwehren, ja, sie hätte sogar ein Notsignal senden können. Bestimmt hätte sie nicht einfach nur dagelegen und nichts getan. Aber ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die Brachiatoren einen sauberen Angriff von vier Seiten zustande kriegen.«
    Bis jetzt hatte ich angenommen, der Mord an Warmuth sei mit einfachen technischen Hilfsmitteln verübt worden, ganz im Gegensatz zu dem, was Santiago widerfahren war. Aber Präzision forderte andere Maßnahmen, möglicherweise solche, die auf die KIquellen als Täter schließen ließen. Immerhin waren sie die Inkarnation der Präzision, und es wäre ihnen nicht schwergefallen, ihre Geschöpfe zu einem koordinierten Angriff anzuleiten.
    Das einzige

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